Papa ante Portas – warum wir pflegende Väter ernst nehmen sollten!

 

Jetzt habe ich es tatsächlich nicht mehr geschafft im Februar einen zweiten Blogbeitrag zu erstellen – aber hier war auch einfach wahnsinnig viel los. Wir ließen uns zur Unterstützung der Familienherberge Lebensweg von unserer Regionalzeitung interviewen und das SWR Fernsehen war bei uns, um eine vom Pflegenotstand betroffene Familie zu zeigen. Zu guter Letzt war der Räubersohn noch stationär. Denn seit dem er mehrere Backenzähne bekommt verweigert er Essen und Trinken. Er macht einfach den Mund nicht mehr auf. Und wir waren gezwungen ihm eine Nasogastralsonde zu legen und haben schließlich doch der PEG Anlage zugestimmt. Es ist einfach zu gefährlich, gerade wegen seiner chronischen Niereninsuffizienz, wenn er zu wenig Flüssigkeit bekommt. Und jetzt hat der Eingriff nicht mal geklappt. Der tapfere Mäusetiger muss demnächst wieder in die Kinderklinik und das Prozedere wird dann mit einer anderen Op Technik (chirurgisch statt endoskopisch) wiederholt. Ätzend und frustierend das Ganze.

Das hat allerdings durch aus mit meinem geplanten Beitragsthema zu tun:

Im TV Beitrag war der Vater nämlich wieder nur eine Randfigur,  obwohl er wichtiges zu sagen hatte, wurde sein Redeanteil heraus geschnitten. Das passt zu seinen Erfahrungen als Vater eines mehrfach behinderten Kinds.

Auch zu den Erlebnissen in den Krankenhäusern und in Kinderrehazentren:  Ich bin froh, dass der MaPa dieses mal wieder mit unserem Sohn als Begleitperson mitgegangen ist. Die eigentliche Station auf der unser Junior sein Zimmer haben sollte war diese Woche abgeriegelt aufgrund zu hoher Ansteckungsgefahr. Ein Grund mehr die kleine Miss nicht in so eine „Killervirenzuchtanstalt“ mitzunehmen. Als Stillkind hätte ich keine Wahl gehabt. Außerdem warum sollten auch immer wir Mütter mit?

Da ich in Elternzeit bin, übernehme ich sowieso den Hauptteil der Pflege. Aber sobald der MaPa nach Hause kommt packt er mit an. Er wickelt beide Kids,  gibt Brei und Tee, überweist Therapie Rechnungen, turnt Übungen am Galileo,  richtet Medikamente und hält den Schreiling, wenn es sein muss, stundenlang im Arm nachts. Und das ist auch gut so. Es sind schließlich unsere Kinder – nicht meine.

Und ich will ihn nicht als fantastischen Ausnahmevater loben und glorifizieren. Sondern ich weiß, es gibt viele engagierte pflegende Väter (leider auch viele alleinerziehende Elternteile, zur Mehrzahl Mütter mit behinderten Kindern). Leider wird so getan, als sei die Carearbeit eben Frauensache. Auch von vielen Fachkräften. Das finde ich ein Unding und so nicht haltbar!

Als der MaPa mir im ersten Spz mit dabei war, wurde er beispielsweise glatt ignoriert. Obwohl er den Räubersohn auf dem Arm hielt und sondierte, wurden mir als Mutter die Fragen – wie grotesk – zur Ernährungsituation gestellt.

Ähnlich war es als er mit ihm allein in der Klinik war, hieß es: Wann kommt ihre Frau wieder? Nun, sie dachten er wäre nur kurz zu Besuch und ich mir die Beine vertreten. Dabei waren noch mehr Väter auf den Gängen der Station unterwegs. Das ist ganz schön ignorant und nicht zeitgemäß diese Denke!

Inzwischen kennen ihn auch einige Angestellte, schließlich sind wir oft, Gott sei Dank meist ambulant, Gast im Krankenhaus.

Aber was bitte schön ist das für ein Männer- und damit auch Frauenbild? Das Kind gehört für viele auch 2018 noch zur Mutter. Den Vätern wird von mehreren Seiten nach wie vor zu wenig zugetraut. Dazu gehört, dass von vielen Vorgesetzten erwartet wird, dass noch immer bei Männern der Beruf vor der Familie kommt. Auf freie Tage werden Besprechungen sowie Geschäftstermine gelegt, Überstunden nach Feierabend gelten nicht selten als zumutbar und ähnliche Dinge, die eindeutig zeigen, dass davon ausgegangen wird, dass die Väter zu Hause abkömmlich sind. Bei einem pflegeintensiven Kind wird aber jede Hand,  ja JederMANN gebraucht, wenn man vermeiden möchte, dass die Ehe zerbricht oder ein Elternteil völlig erschöpft ist und ausbrennt.

Deshalb habe ich beschlossen den pflegenden Väter hier eine kleine Blogreihe zu widmen. Auch Paare kommen zu Wort, die sich die CareArbeit teilen. Denn es geht! Väter müssen nicht außenvor bleiben, sondern können und sollen eine wichtige Aufgabe bei der häuslichen Pflege einnehmen. Es muss kein Rollentausch sein außer beide wünschen sich das. Auf jeden Fall funktiert Pflege auch in Teilzeit – ggf. am Abend oder Wochenende. Und sie können das. Vertraut ihnen, Mütter (- ich weiß das ist nicht leicht aber springt über euren Schatten); das gleiche gilt auch für Großeltern, Freunde, Ärzte*innen, Krankenpfleger*innen und Therapeuten. Und ihr Papas zeigt, dass ihr ‚ganze Kerle‘ seid, die auch in der weiblichen Welt der Pflege ihren Mann stehen und für eure Kinder einstehen.

Schwarze Löcher im Paralleluniversum

„Ich kann nicht mehr.“ Dieser Satz, ich versuche ihn zu vermeiden,  trotzdem brüllt er immer lauter in meinem Kopf, hämmert auf mich ein.  „DU BIST KAPUTT! “ Ich bin zurzeit immer wieder kräftemäßig mehr als am Limit. Wache auf weil meine To-Do-Liste vom Schreibtisch nach mir ruft oder ein Kind röchelnd hustet (der Große) oder Hunger hat (die Kleine).

Nicht, dass ich in meinem Pflegealltag keine Unterstützung zulasse. Nein – im Gegenteil: Ich versuche Hilfe zu bekommen und das kostet mich gerade die letzte Energie. Unser Pflegedienst ist unterbesetzt,  nie bekommen wir die Stunden,  die uns zustehen. (Einen anderen, bei dem es besser aussieht, gibt es in der Region nicht). In den Ferien oder Wochenende sind wir fast immer komplett auf uns gestellt, hinzu kommen regelmäßig unbesetzte Tage unter der Woche.  Dann müssen die Großeltern mit anpacken, die aber auch nicht immer parat stehen – was als Rentner auch absolut legitim ist! (Und ich würde auch mal einfach meine Ruhe habe, die Füße hochlegen ohne, dass Helfer hier sind. Einfach ein bisschen für mich sein.) Noch viel verrückter ist, dass ohne Pflegebegleitung auch der Kindergarten ausfällt,  weil sich das Personal des sonderschulischen Kiga bisher weigert den Räubersohn ohne Krankenschwester zu nehmen auch nicht in Ausnahmefällen. Obwohl die FSJler haben und fast so viele Erwachsene wie Kinder an manchen Tagen dort herum laufen.  Als wäre es nicht kräftezehrend genug, dass er die kompletten Schulferien geschlossen hat.  Keine Kernzeitbetreuung – NICHTS!  So werden Eltern und insbesondere Mütter aus der Arbeit getrieben, wenn nicht sogar ins Burnout.

Gerade unsere Kids brauchen doch so viel Hilfestellung im Alltag. Unser Junior kann nichts ohne Unterstützung weder essen oder trinken, anziehen oder fortbewegen. Er kann nicht sagen was ihn stört oder wehtut, nur lachen, wenn etwas schön ist oder schreien, wenn etwas nicht passt. …und es gibt keine Aussicht,  das sich das ändert. (Ich habe viele Hoffnungen begraben was er noch lernen könnte, hoffe nur dass er irgendwie, irgendwann sich etwas mehr mit UK mitteilen kann.) Ich versuche zu verhandeln und argumentiere schon seit dem Sommer auch mit Schul- und Landratsamt –  noch vergebens. Hinzu kommen die anhaltenden Kämpfe um eine dringend nötige Reha, Hilfsmittel, Erstattungen ewig ausgelegter Rechnungen … soviele Emails, Warteschleifen. Dann noch das Haus, bei dem immer noch was zu tun ist und Handwerker, die Bestellungen vergessen, falsch liefern oder Geräte im Neubau nicht richtig anschließen. Wer braucht schon Heizung oder Warmwasser im Herbst ?

Überall schwarze Löcher unterschiedlicher Relevanz, die mir Energie aussaugen, mich auslaugen und müde machen. Ich habe keinen Nerv für wiederkehrende Probleme anderer, die sich im Kreis drehen, bin Diskussionen leid, ob in Familie oder Vereinen und schnell gereizt. Wer mich angreift, der erlebt etwas oder ich ziehe mich zurück. Ich brauche meine verbleibende Restenergie für meine Kleinfamilie. Habe Angst wie lange das gut geht.

Ich sorge mich, weil ich widersprüchliche Aussagen bekomme zur gesundheitlichen Verfassung des kleinen Königs.  Er hat heftige Myklonien und mehr Versivanfälle seit wir das Antispastikum einsetzen. Gleichzeitig hat er gute Phasen und mit dem Dronabiol, das wir seit kurzem eindosieren, wird er etwas weicher und die Spastiken gehen wohl zurück. Momentan haben wir auch wieder eine Kontrollphase mir vielen Arztterminen. Doch das medizinische Personal von der Klinik bis zum SPZ übt sich Paragraphengereite und einige haben Angst Neues auszuprobieren. Obwohl Schema F nicht wirkt, wollen sie dabei bleiben. Einige lassen uns nicht ausreden, verweisen auf Studien statt uns zuhören, verkomplizieren sowieso schon komplexe Abläufe und treiben mich damit in den Wahnsinn. Belehrungen, fehlende Ergebnisse und ausstehende Erläuterungen zu den Untersuchungen,  die bereits im September vorgenommen wurden, zwingen mich den Herrschaften hinterher zu laufen.

Derweil hustet der Räubersohn seit drei Wochen, wodurch er noch anhänglicher ist. Die kleine Miss wird mobiler und will sie sich aber seltener ablegen lassen. Mein Nacken schmerzt. Eigentlich haben der Mapa und ich immer abwechselnd ein Kind auf dem Arm. Er kommt zügig von der Arbeit heim, um mich zu unterstützen. Die meisten Kollegen verstehen, was er da für einen Spagat hinlegt, während ein paar seiner Kollegen es nicht schaffen sich in unsere Situation hinein zu versetzen. Wegschauen fällt leicht, wenn man das Paralleluniversum ignoriert. Inklusion wird auch ablehnt, weil man sich dann eingestehen müsste, dass es einem selbst ganz gut geht. Und das, wo man doch so geübt darin ist, im Jammern über selbst gemachten Termindruck und Perfektionierungswahn.  Schneller,  weiter, höher – wer nicht mit kommt, ist unsichtbar und soll es doch bitte auch bleiben. Das ist dieser kollektive Egotripp, der alles ablehnt was Empathie und Rücksicht statt Ellenbogen und Optimierung fordert.

Was ich nun mache? Ich versuche schöne Momente zu genießen, einen Ausflug mit Freunden, Spaziergänge im Sonnenschein und, wenn die beiden Zwerge mich fröhlich anlachen. Solche Augenblicke geben mir wieder etwas Kraft. Ich sauge sie auf, wie Frédéric, die kleine Maus, die Farben sammelt im Sommer für den Winter.  So gerne würde ich mal wieder einen fröhlichen positiven Beitrag schreiben. Aber unser Sommer war kurz und jetzt ist schon Winter.

Nachtrag: Wie gut, dass wir schon angemeldet sind für eine Auszeit in der Familienherberge Lebensweg, die nächstes Jahr eröffnet. Ein kleiner Lichtblick.

Blogparade: Bilder-Reihe >> #SichtbarWerden in der Anderswelt << – macht mit!!

AUFRUF – MACHT MIT: Bei der Bilder-Reihe – #SichtbarWerden in der #Anderswelt zeigt den Alltag von euch und euren Kindern mit Behinderung – denn Instagram, Facebook, Blogs…überall Bilder von tollem Essen, makellosen Menschen und perfektem Familienalltag.
Menschen mit Behinderung kommen fast nicht vor. Auch in der aktuellen Debatte zum #Pflegenotstand geht es immer um ältere Menschen aber nicht um #pflegendeEltern die ihre kleinen oder auch schon erwachsenen Kinder versorgen. WIR WERDEN NICHT WAHRGENOMMEN! ÄNDERT DAS ZEIGT EUCH! Eure alltäglichen Situationen, Behördenkämpfe, Therapien …
#NIXclusion

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Mein erstes Bild:
Es ist angerichtet: Frühstück mit Morgen Medikamente für meinen fast 3 jährigen Räubersohn #Yammi #SichtbarWerden