Flashbacks – Leben auf dünnem Eis

Warum war es hier so still?

Es ist inzwischen bereits April und noch immer habe ich noch keinen Blogbeitrag über uns vier geschrieben. Aber viele andere Artikel, denn ich bekam die großartige Möglichkeit neben dem Momo-Magazin für die Fachzeitschrift für Intensivpflege „Beatmet Leben“ zu schreiben. Aus dem einen Beitrag hat sich hat jetzt eine zweite Kolumne entwickelt. Und obwohl ich – wie wohl die Mehrzahl aller freien Redakteur*innen – wohl kaum davon Leben könnte – bin ich stolz darauf. 

Gleichzeitig haben sie viele Erlebnisse überschlagen und es fällt mir doch immer wieder schwer mich abzugrenzen, gegenüber dem Leid anderer und auch meinen eigenen Dämonen.

Mein Blogbeitrag vom Frühjahr, den ich bereits geschrieben und doch nicht veröffentlicht habe, dreht sich um unsere erste Zeit nach den unendlich langen drei Monaten in mehreren Kliniken mit unserem damals noch neu geborenen Räubersohn. Auch darum wird es nun gehen: 

Wie geht es uns vier inzwischen? 

Mich katapultiert es immer wieder zurück in diese bange Zeit. Das kann ganz Verschiedenes sein was diese Flashbacks triggern: Allein die Jahreszeit oder wenn andere Paare von ihren Plänen für die Elternzeit berichten, die der MaPa und ich mit dem Eingewöhnen in die Heimdialyse und Erlernen von sterilen Verbandswechsel und Sonden legen verbracht haben.

Diesen Winter durfte ich auch einen kleinen Beitrag für die überarbeitete Neuauflage von Susanne Bürgers wunderbaren Begleitbuch für Eltern, deren Baby einen schweren Start ins Leben haben schreiben. Es heißt „Wenn das Leben intensiv beginnt„. Genau das haben wir erlebte, nur ist dieses Kapitel bei uns  nicht vorüber. Es bleibt intensiv und wir Leben eigentlich immer auf dünnem Eis. Nur, dass wir weitgehend gelernt haben damit umzugehen, um nicht hinter jedem kleinen Knirschen einen Einbruch zu erwarten. Doch noch vor Silvester kam einiges zusammen.. Erstmals waren die Werte unseres Lieblings wieder deutlich schlechter seit längerer Zeit. Dann die Bronchitis, die Obstruktion wurde und seine Sättigung abfallen ließ, so dass wir zur Sicherheit in die Klinik dem RTW fuhren und nur mit Kortison wieder heim durften. Und dann passierte das, wovor ich all die Jahre, in denen ich „meinmeine Mamas“ habe, große Angst hatte. Ein Kind unserer Gruppe ist plötzlich verstorben. Der Junge ist so alt wie unser Liebling und war schwer krank,  nichts desto trotz wurde und wird er geliebt und es war so plötzlich… Seine Familie leidet unglaublich unter seinem Verlust. Auch wenn Außenstehende gerne von Erlösung sprechen, wenn jemand, der schwer chronisch krank oder behindert ist, verstirbt – für seine Familie ist es ein Alptraum, gerade, wenn einem das Kind genommen wird. Die Liebe und Erinnerungen bleiben – aber der Schmerz auch … Ich habe sehr mit den Eltern mit gefühlt und wieder Angst bekommen davor, dass auch unser kleiner König womöglich nie groß wird, dass alle Sorgen über seine und unsere Zukunft, hinfällig sind.

Was macht die Pandemie mit uns? 

Und nun Corona, die Rede von Risikogruppen, zu denen er definitiv gehört. Wenn die Beatmungsgeräte knapp werden sollen gemäß Triage, vorrangig Menschen ohne schwere Erkrankungen, diese erhalten. Was für eine Horrorvorstellung! 

Und noch immer wollen viele nicht wahrhaben wie gefährlich Corvid-19 ist. Die neuen Lockerungen und Maskenpflicht in Baden-Württemberg suggerieren, dass der Normalzustand in Greifweite sei.

Die Quarantäne, die viele Familien, mit Homeschooling und Homeoffice, verständlicherweise Weise als große Belastung empfinden, führt bei uns auch zu ungewohnten Umständen: Unsere gefühlt dauernd rotierende „Dreheingangstür“ im Flur stand auf einmal still. Wir waren Wochen für uns. Und da wir das große Glück haben, dass ich ohnehin überwiegend im neuen Job im Homeoffice arbeiten kann und der MaPa als Berufsschullehrer nun auch komplett zu Hause ist und online unterrichtet, bekommen wir vier es eigentlich ganz gut gewuppt.

Natürlich fehlen alle unsere Helferlein, aber mir ist auch etwas Druck genommen fast keine Termine, auch die Therapien entfallen fast alle. Inzwischen kommen wieder wenige Pflegerinnen zur Unterstützung aber alle mit Mundschutz. 

Auch wir sind weitgehend sozial isoliert. Doch das sind wir auch sonst im Alltag leider ziemlich. Gehen Kinder mit Behinderungen in Sonderschulen oder Förderkigas fehlt oft der Bezug zu anderen Familien und Kindern, die man sonst im Kindergarten oder bei Vereinen wie dem Kinderturnen trifft – während wir eben zur Therapie gehen und selten von anderen Familien eingeladen werden. 

Nun sind auch sie isoliert, die „normalen“ Familien und Mitmenschen. „Willkommen in unserer Welt!“, möchte ich einigen von ihnen zurufen. Wäre schön, wenn sie durch diese Pandemie etwas Empathie entwickeln könnten, denn das vermissen wir oft noch. Auch bei Pädagogen, dieses eigentlich besser wissen müssten! 

Aber einige nehmen es sehr auf die lockere Schulter. Hoffen wir für sie und ihre Angehörigen, dass sie wirklich keine (evtl. unbekannten) Vorerkrankungen haben! Auch für Lungen- und andere Organschäden,  die Corona verursachen kann sind nicht ohne. Unglaublich, dass das geleugnet wird und krude Verschwörungstheorien statt dessen im Vormarsch sind.

Wir haben unseren Liebling wochenlang intubiert und beatmet auf Intensivstation begleitet. Diese Bilder werden wir nie aus dem Kopf bekommen, das Gepiepse und der Geruch auf der Intensiv. Das wollen wir niemals wieder erleben müssen! Und das wünschen wir wirklich keinem Menschen

Dazu habe ich auch ein Appell veröffentlicht zum 5. Mai dem Welttag der Menschen mit Behinderungen:https://www.facebook.com/ungehindert/videos/2452172581696020/?epa=SEARCH_BOX

Während die Piratenprinzessin ihre Kita-Freundinnen furchtbar vermisst, scheint der kleine König momentan geradezu zu erleichtert zu sein, nicht jeden Tag mit dem Bus weg zu müssen. Das hat uns auf eine kühne Idee gebracht… Lasst euch überraschen! 

Gastbeitrag auf STADT LAND MAMA

Wie spannend 🙂 heute erschien mein Gastbeitrag auf STADT LAND MAMA – vielen Dank Lisa und Katharina, dass ich für eure tolle Seite einen Text verfassen durfte!

Eigentlich hatte ich fest vor über unsere unliebsamen Begleiter Unsicherheit und Angst zu schreiben. (Denn auch in guten Zeiten sind die beiden irgendwie stets präsent und lauern ihm Hintergrund, um plötzlich ohne Vorwarnung heraus zu springen.)

Doch irgendwie hat der Beitrag eine Eigendynamik entwickelt. Es liegt wohl an der Jahreszeit dem Herbst mit seinen Nebelschwaden und dem feuchten Laub am Morgen – und, dass unser kleiner Räuber gerade Geburtstag hatte. Der Tag ist bei uns leider nicht gerade positiv besetzt nach den Erlebnissen vor zwei Jahren…aber wir tun das beste dafür, um einen schönen Festtag daraus zu machen – Ballons, Sekt und Kuchen helfen auf jeden Fall.

Hier findet ihr den Link zu meinem Beitrag auf STADT LAND MAMA: http://www.stadtlandmama.de/content/gastbeitrag-wie-ein-sauerstoffmangel-unter-der-geburt-unser-aller-leben-f%C3%BCr-immer-ver%C3%A4nderte

Von LAND Mama Sophie**

 

Die Anderswelt – mein inklusiver Familienblog

>> Willkommen in der Anderswelt! <<

Dieses Schild hat uns für uns niemand hochgehalten, als wir zusammen mit unserem Sohn vor fast drei Jahren diese uns fremde Sphäre betreten haben. Natürlich merkten wir, dass nichts mehr wie früher war. Aber, dass es nicht ein vorübergehender Zustand ist, sondern tatsächlich so bleiben sollte, das zu realisieren dauerte – ja dauert noch immer an.

FAKT ist: Wir sind Eltern eines chronisch kranken UND behinderten Kindes. Unser Sohn hat vermutlich durch den Sauerstoffmangel bei der Geburt viele Diagnosen, die sich aber auch immer etwas verändern. Am meisten hält uns die chronische Niereninsuffizienz und die Cerebralparese (ICP) auf Trapp. Beide bringen noch weitere Folgeerkrankungen u. a. Bluthochdruck, Gedeihstörungen  sowie Epilepsie, Hüftprobleme, globale Entwicklungsverzögerung, Schlafschwierigkeiten, Schluckstörung (Dysphagie), Schreiattacken etc. mit sich.

Alle die Fragen und Probleme, mit denen wir seit den ersten Stunden nach seiner Geburt konfrontiert sind, die wünsche ich ich keiner Mutter und keinem Vater. Es fällt mir immer wieder schwer diese anhaltende Ausnahmesituation zu akzeptieren. Aber ich denke, inzwischen haben wir als Familie unseren Weg gefunden und wir erleben auch wieder glückliche Momente zusammen.

Update Juli 2018: Unser Räubersohn ist seit Sommer 2017 nicht mehr alleine! Denn er hat eine putzmuntere kleine Schwester bekommen. Und so wie es aussieht ist er mächtig stolz großer Bruder zu sein! Außerdem sind wir kurz nach der Geburt der kleinen Miss in unser barrierefreies „Reich“ umgezogen. Dort hoffen wir, wird der kleine König sich irgendwann einmal, mit entsprechenden Hilfsmitteln, frei bewegen können oder uns wird der Pflegealltag zu mindest etwas erleichtert.

Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ 

Aristoteles

Zum Blog Namen:

Die Anderswelt stammt ursprünglich aus der keltischen Mythologie, es ist der Ort an den die Verstorbenen gehen, doch er ist nicht von den Lebenden getrennt, da die Kelten eine monistische Auffassung vertraten, in der Welt nur als Ganzes existiert. So sind auch wir einerseits ganz normale Eltern und doch leben wir in einer Art Parallelwelt, die wir mit anderen Familien teilen, deren Alltag durch die Behinderung eines Angehörigen geprägt ist.

Als Jugendliche las ich wie viele meiner Freunde das philosophische Jugendbuch Sofies Welt von Jostein Gaarder und freute mich , dass die neugierige, wissbegierige Protagonistin und ich uns den gleichen Vornamen teilen.

Philosophie war eines meiner liebsten Studienfächer, daneben setze ich mich mit ethischen, genderspezifischen bzw. feministischen, historischen, kulturellen und politischen Fragestellungen auseinander. Ich möchte euch an meinen Gedanken teilhaben lassen, was mich bewegt und umtreibt – nicht nur aber immer wieder – im Zusammenhang mit Teilhabe von Menschen mit Behinderung, gesellschaftliche Inklusion und Elternschaft im Allgemeinen.

Die Idee einen Blog zu schreiben kam mir vor allem durch das Kaiserinnenreich, dem Buch Lotta Wundertüte und der a tempo Kolumne Willis Welt und weiteren autobiographischen Büchern. Danke Mareice Kaiser,  Sandra Roth Birte Müller und Gabriele Noak, dass ihr eure inklusiven Familiengeschichten mit uns teilt!