Alles anders – Konstant ist nur die Veränderung.

„Pflegende Mutter und Bloggerin“ so wurde ich vorgestellt bei der Podiumssiskussion zum Thema „Pflege und Beruf – Lehren aus der Corona-Pandemie“ vom BMFSF und dem unabhängigen Pflegebeirat. Dabei schreibe nur noch selten längere Blogbeiträge, doch wer mir auf Instagram folgt sieht weshalb: 

Denn ich bin inzwischen vom Texte produzieren mehr zum direkten Handeln übergegangen. Seit der Demo im Herbst 2019, bei der sich mein junger Verein und die neugegründete Selbsthilfegruppe „Teilhabe jetzt! “ für mehr Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Sichtbarkeit von pflegenden Angehörigen eingesetzt hat, will ich mehr nach Außen gehen. Es geht mir darum nicht nur zu beschreiben was schief läuft, sondern versuchen gezielt Veränderungen zu erwirken! Nonverbalen Menschen, wie unserem Sohn, die selbst nicht lautstark öffentlich verständlich für ihre Bedürfnisse eintreten können eine Stimme geben. Und „meinen“ pflegenden Familien der SHG und mir selbst dabei helfen aus dieser verdammten Opferrolle rauszukommen. Denn da landen wird immer wieder dank Lobeshymnen während parallel systematische Diskriminierung Alltag ist. Immer an meiner Seite meine aktiven Inkluencerverbündeten und vor allem Tina, die mir nicht nur bei Hölder e. V. sondern auch privat zu einer großen Stütze, Motivatorin und Freundin geworden ist. Seit kurzen bringen wir uns auch als Duo bei wir pflegen e. V. für die Belange pflegender Eltern ein. ) Und dieser Zusammenhalt ist wichtig er denn je.

Denn die Pandemie hat die Missstände in vielen Bereichen verstärkt und mehrere Aktionstage und Demonstrationen im Reallife verhindert. Gleichzeitig hat die digitale Vernetzung zugenommen und online Veranstaltung ermöglicht, zu denen ich als pflegende Mutter in echt nur schwer hätte aufbrechen können. 

Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf war zeitweise in der Corona Krise im Lockdown für einige sogar einen Tick besser –  durch digitale Angebote wie Sprechstunden per Videocall und neue Arbeitsformen, wie Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Denn da geht etwas Pflegetätigkeit nebenbei: Sondieren, Inhalieren, Windeln wechseln, wenn mal wieder im Plan keiner steht und das Recht auf Teilhabe mit der Lücke im Pflegeplan mit erlischt. Mehr Verständnis und Entgegenkommen ist jedoch kaum gegeben und endet vielerorts mit der Risikostufe zusammen. Andere Eltern vor allem Mütter haben ihre bezahlte Arbeit in der Pandemie aufgegeben oder wurden gegangen. Sobald man länger oder öfter ausfällt wankt der Job. Die häusliche Pflege ist unkündbar. Da hilft kein Klatschen oder Schulterklopfen. 

Auch Aktivismus ist nur bedingt zu realisieren als pflegende Mutter. Und ich bin stolz, dass ich es geschafft habe an der Videoaktion zum Lied „Pflege“ von Nadine Maria Schmitt und dem Podcast nebendir zu pflegenden Angehörigen und einer Radiosendung in der Reihe Mutmacher mitzuwirken. Ich konnte diesen Sommer eine weitere wichtige Petition zur Umsetzung der UN-BRK mit auf den Weg bringen und Gespräche zur Bundestagswahl mit Kandiat*innen organisieren und an einer weiteren Podiumsdiskussion zum Schwerpunkt Inklusion von meinem Freund und „Bruder im Geiste“ Antonio Florio unsere Standpunkte deutlich machen. 

Andere Hobbys sind daneben mir nur schwer möglich aktuel, mangels Zeit und Energie. Es war auch viel. Das liegt auch an meiner Torschlusspanik, die leide nicht von ungefähr kommt. 

Denn bald so befürchte ich muss ich mich mehr zurückziehen. Meine Kraftreserven sind nicht nur durch die fehlende Entlastung und Sorge um unseren Sohn – verschärft durch die Coronajahre – weiter ausgeblutet.

Es ist überhaupt seine gesundheitliche Situation, die nun nun lange stabil war für seine Verhältnisse. Neben seiner mehrfachen Behinderung durch den Sauerstoffmangel (vermutlich ausgelöst von einem Plazentadefekt) ist er leider auch chronisch Nieren krank. Diese Organschädigung stand ja in seiner Neugeborenen- und Kleinkindzeit stark im Vordergrund, während das Ausmaß seiner Behinderung uns erst Stück für Stück bewusst wurde. Als er eineinhalb Jahren alt war, arbeitete die eine verbleibende Niere gerade wieder gut genug, um ohne Dialyse klarzukommen. Nun ist es im letzten Jahr parallel zur Hüftoperation zum Einbruch der Werte gekommen. Noch geht es ohne die Bauchfelldialyse – aber die Nephrolog*innen wollen nun auch nicht mehr warten bis es kein zurück mehr gibt. Sondern sie möchten frühzeitig – also noch dieses Jahr – wieder mit der Heimdialyse beginnen. Noch sieht und merkt man in es Gott sei Dank nicht an. Er hat keine schlimmen Wassereinlagerungen und scheidet auch noch Harnstoff aus. 

Trotzdem eine Hiobsbotschaft für uns.

Nach über fünf Jahren ohne dieses Gerät, dem damit verbundenen Risiko für Bauchfellentzündungen, generell das nicht Funktionieren der Ersatztherapie und langfristig eben auch die nötige Organtransplantation. Wieder eine kleine Intensivstation zu Hause. 

Da wird Vieles und wir selbst wieder hinten anstehen müssen. Angst kommt hinzu. Vor allem dem was schief laufen kann. Und die kleine Schwester bekommt inzwischen alles voll mit und kann schwer ihre Bedürfnisse hinten anstellen – was wir auch nicht wollen. Doch es wird wohl zwangsläufig dazu kommen müssen. Wieder mehr Kliniktermine, jeden Tag Verbandswechsel, der Test auf Leukozyten… die Listung zur Organspende zieht ebenfalls einen Rattenschwanz nach sich. 

Deswegen haben wir auch unseren Mut zusammen genommen und sind diesen Sommer in den Urlaub gefahren. Ans Meer was sich unsere Tochter so sehr gewünscht hat. Wir alle haben es genossen auch wenn es mit den beiden nicht gerade erholsam war in der hübschen kleinen Ferienwohnung ohne Pflegedienst dafür mit Strand um die Ecke. Die Schwiegereltern sind auch mit von der Partie gewesen und halfen mit die kleine Wilde zu beschäftigen. Es war so schön, das blaue Wasser, die schroffe Küste und lila Heide. Mit Rehabuggy über Gelände, entlang von Stadtmauern und hoch auf eine Festung. 

Wir erinnerten uns an den letzten Urlaub in dieser Ecke. Damals noch im alten Leben, den Räubersohn noch sicher und fidel in meinem Bauch. Das hat mich schon aufgewühlt. Wir könnten uns so an Urlaube gewöhnen, Familiennormalität. Die kleine  Piratenprinzessin plant schon die nächsten Reisen – dein Wort in Gottes Ohr kleine Miss. 

Kaum zurück aus dem Urlaub, bekam ich wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Zu all der Unsicherheit und den knapp besetzen Pflegedienst wurde meine Anstellung nach zwei Jahren nicht mehr verlängert. Jetzt ich muss mich nun noch neu bewerben und arbeitslos melden. Die Arbeit – meine Auszeit, zum Kopf frei bekommen, produktiv sein und Ergebnisse sehen…wieder dahin. Es ist frustrierend. 

Dazu kommen meine Myalgien zurück. Immer wieder kann ich kaum den Kopf heben oder drehen. Rückenschmerzen, Schlafprobleme, Ängste. Keine Kontinuität. Keine Sicherheit. Wertschätzung? Fehlanzeige! Immer wieder Ärger, Kämpfen, sich erklären, Bangen.. Ich habe das alles so satt

Es sitzt mir einfach im Nacken und lastet auf meinem nun fast vierzigjährigen Schultern. Sieben Jahre Pflege, ein Kind das viel Nähe braucht und Versorgung wie ein Säugling mit mit über einem Meter Körpergröße und 20kg Gewicht.

 Alles auf einmal – wieder – natürlich. Veränderung als einzige Konstate und Rolle rückwärts oben drauf.

Deshalb wird es eher ruhig bleiben hier. Ich hoffe weiterhin aktiv sein zu können, wenn auch in geringerem Umfang. Vielleicht berappele ich mich und es kommt ein neuer Job bei dem endlich ich ankommen kann und geschätzt werde. Vielleicht klappt es gut mit der Dialyse und wir gewöhnen uns an die nun wieder neuen Abläufe. …Doch die Erinnerungen an Dauergepiepse und Geschrei nachts die belasten und verhallen nicht so schnell. 

Ich versuche zuversichtlich zu sein. 

Manchmal gelingt es mir. 

Und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf? Wenn sie mir begegnen sollte, dann lasse ich es euch wissen. 

Nach Adeli: Sommertief statt unbetrübten Urlaub. Wie wir als pflegende Eltern hängen gelassen werden.

Eigentlich hatten ich euch versprochen noch über die Adeli Therapie zu berichten – aber schon in den Tagen der Hinfahrt war absehbar, dass zu Hause massiver Ärger auf uns wartet. Leider überschattet der Krieg mit der Krankenkasse um die dringend nötige intensive Behandlungspflege unseres chronisch kranken und schwer mehrfach behinderten Räubersohns unseren gesamten Sommer.

Zunächst noch die – zugegeben komprimierte – Zusammenfassung zur intensiv Rehabilitation, dem Babymed in Piestany – Adeli II:

Nun mit regelmäßigen Blutdruckkontrollen vor und nach dem Physiotraining und häufiger Gabe des Bedarfmedikaments, durften wir das Adeli-Programm weiterführen. Das heiße Wetter war natürlich zusätzlich eine Hürde und der kleine König ist oft recht lasch gewesen. Laut Arzt und Physiotherapeuten absolvierte der Junior nur circa ein Fünftel des regulären Programms. Aber hey – es ist schließlich kein Wettkampf! Wenn das reicht, ist das doch in Ordnung. Wir kamen nicht mit dem Ziel ihn laufend mit nach Hause zu bekommen. Nein, wir wollten ihm etwas Gutes tun, seine Beweglichkeit wieder mehr herstellen nach der Faszien- und Sehnen-Op. Und man höre und staune: Das gelang tatsächlich ein gutes Stück. Der tapfere Knirps gewöhnte sich ans Durch bewegen á là Adeli im synchronen Modus mit einer netten Dame zur Linken und Rechten. Er meckerte nur selten und spürte wohl, dass seine Spastiken weniger wurden. Die Massagen – bis zu drei am Tag – hat er so genossen! Als es etwas abkühlte machte unser Liebling sogar aktiv mit, ein bisschen zumindest etwas Kopf halten und stützen. Wir waren etwas ernüchternd durch die Kommentare des Arztes vor Ort aber eigentlich sehr stolz wie sich der junge Herr doch berappelt hat nach diesem Frühjahr. Bei der Logopädie, die leider nur selten angesetzt war, schoss er den Vogel ab. Besser gesagt den Wurm. Eben solchen kaute er ohne würgen aus Fruchtgummi. Irre! Das hätten wir ihm nie zugetraut mit seiner Dysphagie und sonstiger Abneigung gegen saurer Dinge. Anstrengend war es auch für uns. Auch psychisch – viele Familien mit stark beeinträchtigten Kiddies auch inzwischen erwachsenen Kindern, die zum Großteil heftige Geschichten durchgemacht haben und noch immer am Kämpfen sind, ob mit der Krankheit oder den Kostenträgern. Eltern, die all ihr Geld und Freizeit in Therapien stecken. Und ich gar nicht wusste, ob ich das überhaupt richtig finden kann. Rastlos waren viele, Kette rauchend. Andere wieder sehr vergnügt, optimistisch, aufgeschlossen, lebensfrohe Leute aus ganz Europa tranken zusammen abends Bierchen zu den WM Spielen. Auch ein bisschen das Gefühl von Ferien war mit dabei.

Doch das Schlafen viel mir schwer. Ich bekam von meinem Vater netter Weise das unsäglich bescheidene Gutachten (nicht das erste,  das unqualifizierte bzw. unerfahrene Gutachtern mit angestaubten Dr.-Titel des privaten medi-Prüfunternehmen bei uns gehörig verbockt wurde)  zum angeblich nicht vorhandenen Pflegebedarf per Mail geschickt und wusste daheim erwartet mich das ätzende Widerspruchsverfahren.

Status quo:

Denn wie gesagt, als wäre es nicht genug, dass Dank Pflegenotstand immer wieder der ambulante Pflegedienst ausfällt, sollen wir laut unserer privaten Krankenversicherung mit dem großen D jetzt möglichst alleine klar kommen. Wir hatten tatsächlich gewagt uns mehr Behandlungspflegestunden verordnen zu lassen seit dem wir seit 1,5 Jahren trotz Verschlimmerung der Krankheitsbilder und damit auch Pflegesituation nicht um Erhöhung baten. Getraut hatten wir uns das, da es zwischendurch kurz besser aussah bei unserem Pflegedienst – aber es kam mal wieder anders. Statt neuer Pflegekräfte unter Vertrag zu bekommen, kündigten Weitere (und der andere Kinderpflegedienst in der Nähe kann uns auch nicht übernehmen). Dabei sind wir beide MaPa und ich ziemlich kaputt, gehen schon lange auf dem Zahnfleisch. Die schlaflosen Nächte, ein Kindergartenkind das Fürsorge wie ein Säugling und medizinische Versorgung wie ein älterer, hilfsbedürftiger Mensch benötigt (plus ein Baby bzw. Kleinkind) und die anhaltenden Gefechte mit der Versicherung seit fast vier Jahren schlauchen uns nachhaltig.

Und nun: Aus unser Bitte um mehr nächtliche Unterstützung resultiert solch ein katastrophales Gutachten voller Fehler und die komplette Streichung. Wir sind noch immer fassungslos.

An Verreisen ist nicht zu denken. Was hab ich nicht geträumt im Winter…Jetzt war Adeli unsere einzige quasi-Auszeit. Ein bisschen Urlaubscharakter hat es ja bekocht zu werden und am therapiefreien Wochenende ein paar Ausflüge zu machen. Und was uns auch Aufwind gibt die ganze Zeit ist die kleine Miss, die auf dem Hinweg ein Jahr alt wurde und so fröhlich und draufgängerisch ist, dass es eine wahre Freude ist. Auch der große, kleine Bruder liebt ihre Knutschüberfälle bei denen sie sich auf ihm wirft. Natürlich ist es auch kräftezehrend, dem Wusel hinterher zu rennen gerade in diesem Jahrhundert Sommer. Was uns außerdem glücklich macht: Der Räubersohn ist noch immer aufmerksamer und auch daheim weniger spastisch. Er schlief eine Weile sogar manchmal im Liegen (statt hoch gelagert) und einen Tick besser. Wir versuchen ihn weiter möglichst täglich durch zu bewegen aber zu zweit bekommen wir das eigentlich nicht hin. Außerdem probieren wir uns langsam wieder an UK mit Metacom-Symbolen und PC Augensteuerung. Beides mit noch nicht absehbarer Anwendbarkeit.

Weiterhin schnürt uns die nicht gelöste Frage wie der Räubersohn künftig weiter betreut und medizinisch versorgt wird weiter die Kehle zu. Die angebliche „unabhängige Beratung“ die uns aufs Auge gedrückt wurde, entpuppte sich als weitere Begutachtung – nun durch eine Psychologin. Und ein paar unser Ärzte lieferten ihr teilweise Haar sträubende Aussagen, die sich ungünstig auswirken können. Wir müssen uns erklären. Dinge klar benennen, die jeder Laie sieht.

Alles ist in der Schwebe. Nur wir sind am Boden. Nun müssen wir wohl einen Anwalt einschalten auch Regional TV und Zeitung habe ich kontaktiert. Es ist einfach zum k***** ich kann es nicht beschönigen. Wieder ein Kampf, dessen bloße Existenz niemand mit Verstand und einem Hauch Empathie nachvollziehen kann. Dass man als pflegende Eltern so hängen gelassen wird. Nach 3 3/4 Jahren sollen wir auf einmal ohne professionelle Hilfe zurechtkommen? Und der Kindergarten auch? Das ist nicht machbar!

Ein Kind das regelmäßig aspiriert, nachts stundenlang weint um Atem ringt, diverse epileptische Anfälle zeigt und unzählige Medikamente für den heftigen Bluthochdruck (bedingt durch die Niereninsuffizienz) benötigt, schlimme Schmerzzustände durchlebt – all das käme uns nur subjektiv so schlimm vor?!

Ich bin fassungslos, sauer, müde. Und nach wie vor gilt: Mit letzter Kraft die Hand zur Faust ballen. Für ihn, für uns. Wir lassen uns nicht nehmen was uns zusteht, was wir alle brauchen. Er zum Überleben und wir zum Weiterleben.

Erholsame Klinikauszeit und böses Erwachen.

Wir waren nach Pfingsten zu Gast in der „GNTK“ – Germanys Next Top Kinderklinik“ Dritterorden in München. Das war fast wie ein erholsamer Kurzurlaub. Leider folgte darauf eine unschöne Überraschung zu Hause.

Gleich vorweg – nein, das ist nicht ironisch gemeint! Wir hatten wirklich eine gute Woche zusammen in der Bayrischen Landeshauptstadt in der Kinderklinik, die wirklich drei Orden verdient.

Ich muss euch ein bisschen davon erzählen, weil ich denke, da könnten sich einige Krankenhäuser und Mediziner  etwas von abschauen. Dass jemand andere Erfahrungen gemacht ist natürlicher möglich, unser Bericht ist subjektiv. Ich kann eben nur von unseren Erlebnissen, unseren 6 Tagen auf der orthopädischen Station dort berichten. Die waren nicht 100% positiv, aber doch überraschend gut.

Zugegeben wir hatten in mehrererlei Hinsicht Glück: Da der MaPa technischer Lehrer ist und Pfingstferien waren,hatte er die ganze Woche frei und wir konnten zu viert los. Außerdem stellten uns seine Eltern, wie schon öfter, ihr Wohnmobil zur Verfügung! Wir haben uns im Vorfeld schon Gedanken gemacht wo wir wohl in Kliniknähe das große Gefährt platzieren können:  Bei den Kleingärtnern, dem Freizeitsportgelände oder notfalls sogar am Friedhofparkplatz laut googlemaps. Auf gut Glück sind wir dann zu der Parallelstraße zum Hauptgebäude gefahren nahe der Notaufnahme und dort war ein langer Parkstreifen ohne Verbote, maximal Parkdauer oder Gebühren. Jackpot! Die Lage der Dritterorden Kinderklinik ist auch wirklich genial. Nebenan ein kleiner Wald mit einem Zelthostel (The Tent), ums Eck der Botanische Garten und nicht weit entfernt der Schlosspark Nyphenburg.

Das Essen war etwas Klinikmäßig aber schon ganz okay mit einem Hauch von Vitaminen. Dafür war die Cafeteria top mit leckeren kalten und warmen kleinen Gerichten und sage und schreibe sechs Sorten Bier zur Auswahl – das gibt’s auch nur in Bayern. (Und in meiner blau-weißen Zweitheimat fühlen wir uns schon immer wohl.) 

Was uns sehr freute: Wir hatten viel Privatsphäre, alle Kids sind in Einzelzimmern untergebracht und das Bett der Begleitperson durfte stehen bleiben. Die Duschen waren zwar auf dem Gang aber es wurde alles oft geputzt, so dass das typische Krankenhaus-Ekelgefühl überhaupt nicht aufkam.  Auch das Gebäude ist selbst schön hell mit Grünpflanzen und einem gratis Karussell im Innenhof sowie einigen Automaten für Snacks und Tischkickerbällen. Draußen gibt es noch einen Spielplatz und Brunnen sowie Rasenfläche, sehr zur Begeisterung der kleinen Miss, die inzwischen nicht mehr zu halten ist. Auch von medizinischer Seite und Ausstattung waren wir sehr zufrieden.  Sehr nettes Pflegepersonal, das uns unterstützen aber auch nicht Dauer präsent war sowie nahbare Ärzte, die sich persönlich entschuldigen als – einer der wenigen Wehmutstropfen – sich der Op Termin zuerst nach hinten und dann um einen Tag verschob. Der Eingriff selbst verlief gut und wir sind eigentlich ganz froh, hier gelandet zu sein nachdem die Anästhesisten, der für Ulzibat/Myofasziotomie bekannten Schönklinik sich nicht an unseren Nieren kranken kleinen Sohnemann ran getraut haben.

Wir hatten es auch von Petrus Seite recht gut verwischt und waren insgesamt viel draußen unterwegs mit den Kids in ihren Buggys. Bis auf den Op Tag natürlich, aber schon am Tag darauf bekamen wir wieder Ausgang was beim schwülen Wetter sehr gut tat. Denn unter den großen Bäumen des Schlossparks ließ es sich deutlich besser aushalten als auf Station.  Auch im nahen Biergarten und beim Griechen, der ebenfalls in derselben Straße seine Terrasse hat, und im Villenviertel waren wir spazieren. Gern wären wir einen Tick früher wieder abgereist, aber unterm Strich sind wir wirklich sehr zufrieden gewesen und können die Einrichtung getrost weiter empfehlen. Die Woche fühlte sich mit den vielen kleinen Unternehmungen fast wie Urlaub an.

Epilog :

Gott sei dank hatten wir keine Ahnung, dass wir kaum dass wir daheim waren ein Himmelfahrtskommando erwarten sollte. Während wir nur alle Vorbereitungen für die Auslandsreisen trafen, zu der wir nur knapp zwei Wochen später aufbrechen wollten.  Kam der Unglück verheißende Brief der privaten Krankenversicherung mit dem großen D – angeblich bestehe kein Intensivpflegebedarf. Und wir fielen aus allen Wolken. Unglaublich wir hatten ja wegen der furchtbaren Nächten mit schlimmsten Schreiattacken und Atemaussetzern,die vor rund 14 Monaten begannen, seit langem vehement um MEHR Unterstützung gebeten. Jetzt konnten nur, nach mehreren schlaflosen Nächten eine mehr schlechte als rechte Übergangslösung treffen. Denn inzwischen sind wir schon unterwegs Richtung Osten. Nach der Faszien-Op ist nämlich genau der richtige Zeitpunkt, um die (zumindest zeitweise) wieder gewonnene Bewegungsfreiheit zu nutzen und zu trainieren, dass die Spastik nicht die Oberhand behält .

Das Gutachten, das wohl wieder direkt von Grimm’s Erben verfasst wurde (wäre ja nicht das erste mal), habe ich noch nicht erhalten. Sobald ich es in Händen habe, werde ich es nach allen Regeln der Kunst zusammen mit unseren Ärzten zerlegen und notfalls mit Hilfe des Sozialgericht anfechten. Auch Wut kann einem neue Kraft geben, fragt sich nur für wie lange. Jetzt sind wir ab nächsten Montag erst  einmal bei der Adeli Therapie in der Slowakei. Dann geht die unendliche Geschichte des Kämpfens weiter. Und ich dachte, danach wäre erst einmal Ruhe angesagt und Zeit für mein Buchcafé Projekt. Zu früh gefreut. Aber irgendwie geht es weiter. Step by Step. Aufgeben ist keine Option.

Und wir haben auch Positives in Aussicht: Auf dem Weg sind wir noch auf einer Hochzeit von lieben Freunden und unsere Piratenprinzessin wird tatsächlich schon ein Jahr alt.

Liebe und Freiheit. Fernweh und andere Sehnsüchte

Den ich liebe möchte ich frei sehen von allem, auch von mir“ – War es ein indianischer Spruch oder eine moderne Literatin?  Ich weiß nicht mehr aus wessen Feder er stammt, aber dass es einer der Zitate über die Liebe gewesen ist, die meine Mutter auf kleine Papierzettel schrieb und an mehrere Büsche und Bäume des Gartens band, in dem wir im Juni 2011 unsere Hochzeit feierten. Bereits als junges Mädchen machte ich mir darüber Gedanken, wie wichtig es mir ist, dass ich – außer mein passendes Gegenüber zu finden, das mich (wie im antiken Kugelmenschen Mythos) vervollständigt – auch in einer Beziehung ich selbst bleiben kann. Einen anderen Spruch:
Wahre Liebe besteht aus zwei Menschen, die zu einer Einheit werden, ohne ihre Individualität zu verlieren„, schrieb ich selbst mit circa 16 Jahren zu einem geschmiedeten Paar-Kerzenleuchter meines Vaters.
Freiheit und Liebe haben in der Partnerschaft des MaPa und mir schon immer zusammen gehört. Ich habe es schon als Teenager nicht verstanden warum manche Paare so völlig mit einander verschmelzen und nur noch im Doppelpack erscheinen. (Heute denke ich, es gibt verschiedene Arten zu lieben und es gibt Menschen, die möchten eben in dem anderen komplett Ineinander aufgehen.)

Ich fand es immer gut und richtig meine eigenen Interessen zu wahren und sich zwar aneinander anzupassen aber nicht zu verbiegen.  Mein heutiger Mann war da noch extremer.  Er ging dermaßen in seinen Sport auf,  dass es fast schien, als handele sich nicht um ein Hobby, sondern seinen Hauptlebensinhalt. So hat er als junger Kerl auch durch aus mal gekündigt, um seinen Abenteuerurlaub wie geplant durchziehen zu können. Mit zunehmenden Lebensjahren und Verpflichtungen in der Arbeit war er da nicht mehr so radikal, aber noch immer wenig kompromissbereit, wenn es um seine Urlaubsplanung ging. Ich habe mich insbesondere am Anfang damit erst arrangieren müssen. Denn wir reisten beide gerne und wie schön ist es doch erst zu zweit!

Aber ich habe doch schnell die Vorzüge gesehen, denn statt das beide auf das verzichten, was dem anderen nicht so liegt, machten wir das eben mit anderen Gleichgesinnten. So unternahm ich Städtetrips mit meiner Mutter  und Backbacking Touren mit meinen Freundinnen.  Als wir vor fünf Jahren dann von Anfang Dezember bis Neujahr jeder einen seiner Fernreiseträume verwirklichten – er in Südamerika, ich in Thailand –  vermisste ich ihn schon sehr. Wie gerne wäre ich mit ihm auf Ko Thao geschnorchelt und hätte das kühle Feiertagsbier, mit den nackten Füßen im Sandstrand verbuddelt, getrunken. Noch größer war nur noch meine Sehnsucht nach Kindern. Ich wollte einem kleinen Würmchen nicht gleich einen ewig langen Flug zumuten aber mit einem kleinen Hosenscheißerchen, das schon herum springt, würde das schon gehen. Ich sah viele junge Familien im den Hostels und träumte davon mit Mann und Maus in nicht all zu ferner Zukunft wieder zu kommen, am Streetmarkt Sticky Rice with Mango (auf dem Beitragsfoto meine selbstgekochte Kokosreis Variante) zu schlemmen, die goldenen Tempel zu zeigen und die wundervoll grünen Nationalparks mit all ihren Bewohnern.

Eigentlich war das doch nichts Verrücktes oder Unrealistisches. Aber nun mit unserem Intensivkind? In den ersten beiden Lebensjahren des Räubersohnes mit Sonde, Dialyse und co war überhaupt nicht an eine Reise in ein nicht europäisches oder fremdsprachiges Land zu denken. Wir waren immerhin in einer Ferienwohnung im Fränkischen , besuchten gelegentlich Freunde und Familie. Sonst schafften wir nur kleine einzelne Solo-Unternehmungen: Er, immer mal wieder ein verlängertes Wochenende in die Alpen; ich, über Pfingsten mit Freundinnen in den Süden  – aber das waren ganz seltene Ausnahmen, die dem jeweils daheim geblieben unendlich viel Kraft kosteten. Im vergangenen Jahr war mit Schwangerschaft und Hausbau dann keine kleine Alltagsflucht mehr möglich auch dieses Jahr waren wir mit der Geburt, dem Umzug und den Schreianfällen sehr häuslich und kamen nur einmal kurz bis an den Rhein.

Mühsam sich und sein Leben an diese Situation anzupassen. Das Fernweh bleibt, es vermischt auch mit Erinnerungen an gar nicht so ferne Zeit, die doch Lichtjahre entfernt wirkt. (Wie ein schwerer Wintermantel, den man sich nicht ausgesucht hat, der einen geschenkt wurde. Er ist wertvoll, wärmt und doch sitzt er nicht richtig und drückt, egal wie oft man wieder in ihn hinein schlüpft. Doch Ablegen ist keine Option.)

Und auch ohne tägliche Heimdialyse leben wir jetzt – wieder fast zwei Jahre später – ja weiterhin so zusagen in ‚Warnstufe gelb‘. Nicht lebensbedrohlich aber es könnte immer kippen: die Nieren,  die Epi, die Spastikschmerzen. Und es bleibt unendlich viel zu organisieren, speziell zubereitete Medikamente, ein Kind das nicht spricht, aber immer wieder aufheult und brüllt und wir nie genau wissen was ihm fehlt. Trotz drei Jahren keinerlei Selbstständigkeit in alltäglichen Dingen und ohne Aussicht auf Veränderung. Da werden aus Elternteilen ein Pflege- und Orgateam, das Paarsein und eigene Interessen rutschen in den Hintergrund. Zumal jetzt mit unserer kleinen Miss, die auch 24/7 Full-Service braucht. Eine ganz schöne Zerreissprobe. Jeder muss zurückstecken, dabei wäre eine Auszeit für alle heilsam. Einzelnen Hobbys versuchen wir noch nachzugehen, große Sprünge sind nicht drin. In den Ferien haben wir auch deutlich weniger Pflege, so kommen wir auch nur zu wenig  Haus, Büro und Garten, obwohl viel zu tun wäre. Da wäre ein Atmosphärewechsel doch gerade gut! Letztes Jahr waren wir bei einem genialen Fotovortrag über einen Weltenbummlerfamilie die mit Unimog und zwei bis drei Kids bis in den Iran fuhren. Das war so spannend machte mich aber auch etwas wehmütig.

Dann im Radio immer noch dieser Giesinger Song:

Und wenn sie tanzt
Ist sie wo anders
Für den Moment
Dort wo sie will
Und wenn sie tantzt
Ist sie wer anders
Lässt alles los
Nur für das Gefühl
Dann geht sie barfuß in New York
Schwimmt alleine durch Alaska
Springt vor Bali über Board
Und taucht durch das blaue Wasser…

Oh Mann! Das waren  noch Zeiten.

Früher waren wir mit unserem ausgebauten Sprinter unterwegs von Norwegen, Polen bis Marokko.

Vielleicht trauen wir uns im Sommer 2018 – wenn die Umstände es zulassen – mal etwas weiter ins Ausland als nur Österreich. Und wenn möglich, nicht nur für eine Reha. (Im Herbst sind wir zum Kraft tanken auf jeden Fall für eine gemeinsame Auszeite in der Familienherberge Lebensweg angemeldet. )

Das sind wir uns allen doch schuldig, raus kommen, anknüpfen an alte Reiseleidenschaften, die uns doch auch ausmach(t)en. Was war immer mein Lennon-Leitspruch als Studentin: „Zahme Vögel träumen von Freiheit – wilde Vögel  fliegen.“ Zeit die Federn abzustauben und langsam einen Blick aus dem Nest zu wagen, hoffentlich haben wir günstigen Wind und genug Energie für diesen Schritt.

 

 

 

#Mein Tag ohne mich

Ich beteilige mich spontan  an dem feministischen Aufruf zum Weltfrauentag heute am 08.März 2017 mit meinem Beitrag zur Blogparade #Meintagohnemich.

<Ein Gedankenspiel>

Sie ist weg. Für fünf Wochen. Jetzt ist er ganz der Herr im Haus.

Morgens zwischen sechs und sieben. Endlich schläft der kleine Räuber seelenruhig, nach dem er wegen der Spastiken mehrmals nachts aufgeheult und Papa wach gehalten hat. Der springt jetzt aus dem Bett. Kocht den Tee, richtet die Medikamente, wie jeden Tag. Aber zur Zeit kann er nicht zur Arbeit düsen, sondern muss auch Frühstück richten für den kleinen Siebenschläfer. Er trinkt nicht in Ruhe, sondern in Eile den Kaffee. Spätestens 7.30Uhr sollte er Sohnemann aus den Federn geworfen werden. Waschen, wiegen, eincremen, wicklen, anziehen.

Und das mit einem müden hypotonen bis hypertonen zweieinhalb jährigen Morgenmuffel, der sich zusammen rollt und die Arme angewinkelt steif macht wie ein Eichhörnchen. Da dauert das Abtrocknen, Windel anlegen und Pulli anziehen gleich doppelt so lange. Dann gibt es Frühstück und die ersten Medikamente, das übernimmt in der Regel die Pflegerin, die inzwischen eingetroffen ist.

Papa räumt die Küche auf, richtet den Mittagsbrei vor und alles was mit in den Kindergarten muss. Wechselkleider, schreibt noch schnell eine Nachricht ins Mitteilungsheft für die Erzieherin. Hält zwischen durch den Zwerg noch vom Spucken ab. Wenn es klappt Glück gehabt sonst heißt es wieder umziehen..Mobiliar reinigen.

Ist der Kleine aus dem Haus werden kurz die Füße hochgelegt, ein Joghurt gegessen, Emails gecheckt. Dann geht es entweder zack ins Auto zur 40% Arbeitsstelle bis mittags oder Sekretariatsdienste für den kleinen Bigboss erledigen – das bedeutet:

Arzttermine abklären, Rechnungen scannen und einreichen, Kostenvoranschläge für Hilfsmittel einholen, Rezepte anfordern, mit den Orthopäditechniker und Ärzten auf einen Nenner kommen, Widersprüche für die Versicherung schreiben, Medikamente bestellen, Arztbriefe weiterleiten, Großeltern koordinieren mit den Therapietagen und Kontrollbesuchen in den diversen Kliniken, die sich immer wieder ändern.

Dazwischen Wäsche waschen auf- und abhängen, Einkaufen, Aufräumen, Briefe abheften, Brei und Brühe vorkochen, Klarschiff machen. Mittag essen richten falls der kleine Herr auf 12.20 Uhr heim kommt, wie so oft, wenn nicht mehr Pflegestunden verfügbar sind. Die Pflegerin geht dann mittags und ein Großelternteil springt ein, wenn der Daddy arbeitet. Manchmal gehen sie auch so mit zur Therapie, damit er eine Auszeit hat oder Haushalt und Verwaltungskram erledigt bekommt oder selbst mal Physiotherapie gegen die Rückenschmerzen machen kann.

Daneben sollte der Räuber auch mal Mittagsschlaf machen, die Arme und Beine durch bewegt bekommen, irgendwie seine Flüssigkeit eingeflößt kriegen, Galileo Training erledigen, die unterstützte Kommunikation üben, in den Bauchstütz gehen, Rollbrett fahren, und immer wieder Essen, wicklen etc.pp. Papa wird nicht langweilig, nur manchmal schläft er mit den Kleinen zusammen ein, weil er so platt ist. Selten klappen dazwischen Treffen mit Freunden und  deren Kids, selbst das Lebensmittel einkaufen ohne Kind ist eine Erholungspause.

Wie läuft es bei Arbeitstagen: Nebenbei darf der Vater Nachrichten von der Oma oder dem Opa checken und Instruktionen geben und hoffen, dass alles klappt. Zwischen durch in der Pause Telefonate führen, To-Do-Listen schreiben, Mails beantworten auf den AB der Apotheke oder des Kinderarzts sprechen. Auf dem Heimweg Rezepte holen und Briefe einwerfen. Der ganze Kladderadatsch der an Arbeitstagen liegen bleibt, schiebt sich dann auf nachmittags bis nachts, das Wochenende.

Wenn Papa dann um halb drei k.o. heim kommt, darf er sich von seinen Kumpels und der älteren Herrengeneration anhören, wie toll es doch sei halbtags arbeiten zu gehen und dass sich ja soooo viel verbessert habe seit früher. Manche wünschen sie  könnten auf dem Spielplatz abhängen statt abends erst heim zu kommen. Er sagt meist gar nix mehr dazu. Meint nur gelegentlich: „Du weißt schon, dass ich die meiste Zeit mit dem Junior zu den diversen Therapeuten (Logo, Ergo, Physio und co) renne nachmittags. Willst du wirklich tauschen mein Freund? Ein Kind das nicht redet, selbst ständig isst oder sitzt – Fremdbestimmung durch Ärzte und Therapeuten gegen gute Bezahlung und Anerkennung im Job?“

Abends gibt es auch wieder einen Wettbewerb- wer schläft erster? Der Vater oder Knilch?

Derweil ist Mama weiter in Kur – und merkt, dass es auch ohne sie geht.  Wahrscheinlich sogar gehen muss. Vielleicht wird sie ihn überzeugen, dass er kommendes Jahr dran ist mit einer dauerhaften Arbeitszeitreduktion oder sie übernehmen beiden beide Jobs zu 50%. Denn irgendwann sie die Akkus leer, ob vom Vater oder der Mutter.

(Dass, das hier eine Utopie ist stimmt leider. Barrierefrei wohnen ist teurer und so einen Rollentausch können wir uns höchst wahrscheinlich über eine Kur Dauer hinaus kaum leisten.)

Zum Bild: Wir Frauen packen zu in allen Lebensbereichen. Wenn uns keiner dafür lobt, tun wir es selbst!  Über die nach wie vor weibliche Welt der Pflege – in CARE-Berufen oder Privat – hab ich mir früher schon Gedanken gemacht:  Who cares? It’s a WOMANS world.

Blogparade -Was ich mal tun will, wenn er groß ist (oder werden würde?)

Gerade bin ich auf die Blogparade von Patricia gestoßen „Was ich noch alles tun möchte, wenn mein Kind groß ist“ und habe begonnen ihr eine Antwort ins Kommentarfeld zu schreiben. Doch die wurde länger und länger… jetzt hier außer der Reihe mein Beitrag zu deinem Aufruf:

Liebe Patricia,

du hast dir echt einiges vorgenommen! Ich muss gestehen, zuerst dachte ich bei der Überschrift, „Mist, da kann ich eh nichts dazu bei tragen mit meinem Blog. Schließlich wird unser Kleiner nie groß,  also im Sinne von selbstständig sein.“ (Unser Sohn ist von Geburt an schwer behindert und chronisch Nieren krank). Aber weißt du was, jetzt wenn ich deine Punkte sehe, bin ich ganz froh weiter gelesen zu haben. Wie witzig, der „Wer wird Millionär“-Wunsch! Bis auf diesen haben wir ganz ähnliche Wünsche und Sehnsüchte. Ich war ganz verblüfft, bei ein paar Punkten gelingt es mir sie – zumindest Ansatz weise – jetzt schon umzusetzen.

Im ersten Jahr war bei uns mit all den Klinikaufenthalten und Arztterminen auch furchtbares Chaos. Da war definitiv nicht an ein gutes Essen oder schön gemeinsam Kochen zu denken die meiste Zeit. (Ok während er Intensiv-Krankenhaus Phase nahmen wir uns ab und an auf „Befehl“ der Oberschwester eine Mittagsauszeit bei Italiener. Drei Monate Krankenhaus Essen machen wirklich nicht besonders glücklich… ). Und inzwischen, jetzt wieder ein Jahr später, genießen wir die kulinarischen Breaks, die wir – wie an Silvester oder das Adventsbrunch oben – auch mal mit den Großeltern oder unseren Freunden zelebrieren. Meist übernimmt dann einer die Kinderpflegeschicht und der andere zaubert etwas Leckeres, gerne mit Zutaten aus der Ferne, wie Pandam Blätter, Maronenmus, Kreuzkümmel. Denn früher sind wir beide sehr gerne zusammen gereist. Jetzt lieben wir immer noch exotisches Essen, Tapas, Currys, marokkanische Tajine hmm. Erst gestern hat mein Mann mir eine tolle Kannichenpfanne gekocht, wie er sie vor einigen Jahren in Mexiko probiert hat. Das war genial und ein gutes Essen ist doch auch irgendwie wie ein Kurzurlaub oder? (Vielleicht stelle ich in Zukunft doch ein paar Rezepte, wie meine Anti-Frust-Pasta hier ein 🙂 ) Gelegentlich geben wir den Zwerg auch zu Oma und Opa und gehen schön Essen, thailändisch zum Beispiel , eines meiner Topsehnsuchtsländer. Einmal als Geburtstagsgeschenk war sogar eine Thaimassage vorher drin. Eigentlich habe ich immer davon geträumt meine Rucksackreise noch mal mit Mann und Kind zu wieder holen. Aber im einem jungen gehbehinderten Epileptiker, der nicht spricht und jederzeit wieder zurück an die Dialyse kommen kann. Nein, das wäre zu viel Nervenkitzel für meinen Geschmack. Immerhin, das mit dem Kochen oder Essen klappt bei uns gelegentlich, Patricia.

Ich schaue weiter auf deiner Liste und sehen Turnen. Das passt natürlich prima, denn wer gerne isst, hat nicht selten zu viel auf den Hüften. Und stell dir, vor ich habe es gewagt und mit meinem kleinen Sohnemann Babysport gemacht. Wir mussten zwar, obwohl er mit Abstand der Älteste von allen Kids war, zweimal in den Neugeborenen Kurs von „Fit Dank Baby“ gehen, aber das war es mir wert. Dort fiel auch kaum auf, dass er so mini (für sein Alter) ist, nicht krabbelt oder brabbelt. Klar, hat er mit ein paar Spuckeinlagen für „Stimmung“ gesorgt, aber das passierte den anderen, meist stillenden Mums, mit ihren Kleinen auch einmal. Ich kam dort auch neben dem Schwitzen auf andere Gedanken. Und der Räubersohn hat das Tanzen im Tragegurt zur Musik geliebt!

Jetzt bin ich sogar etwas stolz, muss ich gestehen. Mit einem Kind dessen Gesundheitszustand immer wieder kritisch ist und einem viel abverlangt, lernt man im Idealfall als Eltern auch etwas nach sich zu schauen. Denn unsere Akkus müssen lange halten.  Aus dem Gröbsten raus gibt es bei einem Kind mit Cerebralparese, das nicht redet oder selbstständig essen kann, wohl nicht. Deshalb versuchen wir die Feste zu feiern, wie sie fallen. Und aus dem Jetzt, das Beste zu machen. Gerade haben wir eine gute Phase, wer weiß wie lange sie dauert?

Wovon ich träume, wenn mein Kind groß , also dem Alter nach erwachsen ist? Ich hoffe inständig ihn in seiner eigenen Wohnung (oder notfalls bei uns zu Hause ins einem eigenen Reich) besuchen zu können, bei relativ guter Gesundheit. Dass unser Sohn ein halbwegs selbstständiges Leben führen kann, vielleicht mit einem coolen Pfleger, der mit ihm zu Konzerten oder Festivals geht oder sogar einer Freundin.  Das wäre wundervoll. Dann könnte ich auch wieder an einen spannenden, fordernden Job an einer Hochschule nachdenken oder schöne Urlaube zu zweit. Das wäre die Grundbedingung. Dann können die Träume kommen.

Interview bei Phillip Julius e.V.

Heute dürft ihr mal eine Premiere mit uns erleben!

Ich wurde vor kurzem von Nadine Bauer vom Verein Philip Julius e. V. interviewt und gerade ging der Beitrag online. Wir redeten über den Alltag mit unserem Glückskind (ich gebe ihm hier den Namen ‚Felix‘), berufliches und unsere Wünsche.Ein Thema war auch das Vereisen, den der Verein bietet Familien mit behinderten Kindern Unterstützung, wenn sie in den Urlaub zusammen fahren möchten.

Euch allen ein schönes Wochenende! Drückt mir die Daumen, am Montag startet mein neuer Job.

Hier das Interview, das Nadine Bauer mit mir geführt hat:

„Erzähl doch mal …. Sophie!“

Wie sieht Deine Familie aus?
Bisher ganz klassisch wie im Kinderspiel: „Vater, Mutter, Kind“: Papa Mark (37), ich (33) und unser kleiner Felix , er ist gerade zwei geworden. Außerdem sind unsere Eltern im Boot und unsere treuen Paten.

Wann und wie hast Du von der Behinderung Deines Kindes erfahren?
Die Schwangerschaft mit Felix war ohne Komplikationen, er wuchs und gedieh und strampelte wild. Als ich zwei Wochen vor dem Termin einen Blasensprung hatte und die Wehen begannen, rechnete ich mit mit einer ganz normalen Geburt. Doch es kam alles anders: Die Herztöne fiehlen immer wieder ab und schließlich wurde er durch einen Notkaiserschnitt geholt. Felix, atmete nicht von allein und musste gleich auf die Neointensiv gebracht werden, wo er reanimiert und intubiert wurde. Ich sah ihn nicht da ich selbst noch betäubt war. An meinem Mann wurde er schnell im Brutkasten vorbei geschoben. Uns wurde berichtet er hatte dann gleich nach der Geburt noch erste Krampfanfälle. Die ersten Tage scheider auch nichts aus und langerte immer mehr Wasser ein. Nach der unfallgleichen, vereehrenden Geburt war klar, er wird, wenn er die erste Zeit übersteht, viele Einschränkungen haben. Die ersten Monate standen vorallem seine Nieren, die durch den schweren Sauerstoffmangel stark beschädigt wurden, im Vordergrund. Bereits mit einem Monat konnten wir mit der lebensrettenden Bauchfelldialyse beginnen.Dann kamen nach und nach neue Einschränkungen, wie die Cerebralparese mit all ihren Baustellen und weitere Krankeiten, wie die Epilepsie, zum Vorschein.

Inwiefern ist Dein Kind beeinträchtigt und wie gehst Du damit um?
Für uns ist vieles inzwischen normal. Dadurch, dass er zur Zeit keine Nasogastral-Sonde mehr hat, fällt vielen Ausstehstehenden, die nicht vom Fach sind, gar nicht auf den ersten Blick auf, dass er Handicaps hat. Wer sich etwas auskennt sieht seine Spitzfüße, die Rumpfhypotonie, erkennt die typische Handhaltung und Anspannung von Kindern mit Spastiken. Er isst auch sehr langsam, verschluckt sich immer wieder und trinkt nur Schluckweise angedickte Flüssigkeit aus einem Spezialbecher. Seine epileptischen Anfälle sind bisher Gott sei Dank nur ganz klein und kurz. Inzwischen hat Felix einen Schwerbehindertenausweis (100% AG, B, H) und Pflegestufe drei.
Beim Verarbeiten unserer Situation helfen mir viele Gespräche mit Freunden und ein „besonderer“ Mütter-Treff. Der Austausch mit ihnen und das Gefühl nicht alleine zu sein, da ist goldwert! Außerdem verarbeite ich viel dadurch, dass ich einen Blog schreibe (www.sophiesanderswelt.wordpress.com). Es ist aber kein stetes Voranschreiten, im Sinne von „langsam wird alles besser“. Klar wir leben uns schon etwas ein in unserem „Paralleluniversum“, jetzt nach zwei Jahren. Aber je nach dem wie die Umstände sind und was ich um mich herum erlebe, komme ich mehr oder weniger besser klar damit ein behindertes Kind zu haben.

Habt Ihr noch weitere Kinder?
Bisher haben wir noch keine weiteren Kinder, wünschen uns aber ein Geschwisterchen für unseren Räuber. Es wäre für uns alle wundervoll all das normale „Babyzeug“ zu erleben, erste Worte und erste Schritte, solche Dinge. Es wäre auch beruhigend zu wissen, dass sich noch jemand um unseren Sohnemann kümmern kann, wenn wir älter werden.

Wie sieht Dein Alltag aus?
Gerade ändert sich viel. Der kleine Mann darf nämlich seit seinem zweitem Geburtstag im Oktober 2016 in eine sonderpädagische Kita gehen, die Pflegerinnen fahren ihn jeden Schultag dort hin. Das ist eine große Entlastung, jeden Vormittag „frei“ zu haben. Der mobilie Kinderpflegedienst war früher auch seltener meits nur zwei bis drei Mal die Woche da. Jetzt mache ich in Ruhe all Briefe für die Versicherung, fordere Rezepte an, mache neue Arzttermine aus und koche vor, denn er darf nur Ungesalzenes essen. Gott sei Dank geht es nachts einigermaßen gut, da Felix viele Stunden am Stück schläft, wenn er irgendwann zwischen zehn und elf Uhr endlich in den Schlaf gefunden hat. Bald werde ich Teilzeit arbeiten, da bin ich noch gespannt wie wir das alles gewuppt bekommen.

Was macht Dich im Alltag glücklich? Und welche Momente sind hingegen besonders schwer?
Wenn wir Zeit zu Dritt verbringen, ohne Therapien und Arztbesuche, das ist herrlich. Da die Blutwerte unseres Juniors jetzt schon länger für seine Verhältnisse gut sind, bin ich gerade etwas entspannter. So normale Dinge, wie mal auf ein Straßenfest mit Freunden gehen, das ist sehr schön. Etwas traurig bin ich, wenn ich Kinder in seinem Alter sehe, die umher springen,selbst etwas aus der Hand essen und erste kurze Sätze sprechen. Solche Selbstverständlichkeiten fehlen doch sehr. Andereseits bin ich happy, wenn kleine Kinder aus unserr Verwandschaft und dem Freundeskreis lieb zu unserem Goldstück sind, auf ihn zu gehen und versuchen ihn mit einzubeziehen.

Wer betreut Dein Kind? Wie habt Ihr die Pflege organisiiert?
Die meiste Zeit bin ich damit ihm Essen und Trinken zu geben. Auch der ganze Vericherungs- und Ämterkram (Kostenvoranschläge, Hilfsmittelanträge, Widersprüche usw.) ist bei uns sehr zeitaufwendig. Wir haben uns früh professionelle Hilfe durch einen mobilen Kinderpflegedienst geholt. Sie helfen uns mit den Medikamneten, geben Spritzen, messen Blutdruck, inhalieren mit ihm und überwachen seine Anfälle. Immer wieder müssen wir darum kämpfen die Intensivpflegeverordnung behalten zu dürfen. Das heißt ich muss regelmäßig Arztbriefe anfordern, Verlaufsberichte einreichen und alles zig mal begründen – als ob eine chronische Erkrankung und Behinderung, wie von Zauberhand verschwinden könnte! Ich weiß nicht wie ich ohne die Pflegerinnen den Alltag bewältigen könnte. Mein Mann arbeitet Vollzeit, er hat als Berufschullehrer aber relativ humane Arbeitszeiten und Ferien und kümmert er sich in der freien Zeit viel um den Kleinen. Unsere Eltern nehmen Felix in der Regel einmal in der Woche oder begleiten ihn zur Therapie oder zu Artzterminen. Wenn ich bald arbeite gehe, werden die Großeltern uns noch häufiger unterstützen (müssen), sonst würde das alles nicht funktionieren.

Was machst Du beruflich? Und wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
In Zukunft bin ich in Teilzeit als Sozialarbeiterin in einem Schulzentrum angestellt und freue mich schon auf diesen abwechslungsreiche, fordernden Job mit den Kids. Davor war ich als Dozentin an einer pädagogischen Hochschule in der Lehre und Forschung tätig. Da arbeitete ich unregelmäßig auch am Wochenende oder in Kompaktblöcken, das ginge jetzt nicht mehr so gut. Ob das ein Verlust ist oder ein Gewinn, ist eine Frage der Perspektive. Manchmal bin ich auch ganz froh, durch unser privates Chaos so durcheinander gewirbelt worden zu sein. Eine Krise ist ja immer auch eine Chance sich neu zu (er-)finden. Auch als Paar wurden wir noch mehr zusammen geschweißt.

Was bedeutet Urlaub für Euch?
Im Urlaub möchten wir einfach einmal abschalten. Keine Regeln, keine Verpflichtungen. So ein bisschen wie bei der „Sail away“-Werbung. Als unser Liebling noch täglich ca. 8-10 Stunden an der Bauchfelldialyse über Nacht angeschlossen war, konnten wir natürlich keine großen Sprünge machen. Wir ließen uns das Gerät und Zubehör dann in eine Ferienwohnung im Fränkischen liefern. Felix fährt ohnehin nicht besonders gerne Auto und bei größeren Höhenunterschieden spuckt er. Noch immer trauen wir uns höchstens ins deutschsprachige Ausland (Was wäre, wenn die Werte kippen oder er einen schweren Anfall bekäme?) .

Wenn Ihr als Familie gemeinsam Urlaub macht, wie plant Ihr?
Mit Dialyse war es sehr kompilziert, ganze drei Mal rückten Mitarbeiter der Firma bei der Ferienwohnung, der Gott sei Dank verständnissvollen und netten Familie Thiem, in Waischenfeld an. Dann funktionierte der Cycler auch erst nach einem Reset, da lagen die erst Mal Nerven blank. Generell müssen wir viel einpacken und dafür sorgen, dass wir ausreichend Medikamente (sie werden extra in unserer Apotheke in der richtigen Mischung zubereitet) und medizisches Zubehör (Spritzen, Blutdruckgerät, Sonde für den Notall etc.) dabei haben.

Wo habt Ihr Euren schönsten Urlaub verlebt?
Am liebsten vereisen wir mit dem Wohnmobil meiner Schwiegereltern, da bekommen wir fast alles unter, auch die nötigen Hilfsmittel, wie den sperrigen Rehabuggy. Wir planen dann immer kurzer Etappen, wobei wir das je nach Wetter und Gesamtsituation auch mal spontan aufbrehcne oder bleiben. Alle unsere Urlaube waren schön, erholsam und gefühlt viel zu kurz. Gerade der erste zu dritt in der Fränkischen Schweiz wird uns immer in Erinnerung bleiben, weil unser Liebling da beim Wandern durch Wald und Wiesen es endlich duldete im Wagen liegen zu bleiben, wenn auch in einer lustigen „Schildkröten“-Position auf dem Bauch.

Welche Wünsche und Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Ich würde gerne einmal wieder in den Norden fahren mit meinen „Jungs“. In Norwegen waren wir bisher nur vor seiner Geburt. Viellicht finde wir nette deutschsprache Ferienwohngsvermieter oder Campingplatzbesitzer? Irgendwann würde ich gerne nochmal nach Marroko oder Thailand, aber ob das jemals wieder gehen wird, das steht in den Sternen. Da wir gerade barrierefrei Bauen, ist Reisen auch nicht unsere erste Priorität.

Den veröffentlichten Text findet ihr auf http://www.phillip-julius.de

(Un-)geliebte Überraschungen I -Ferien in der Klinik

Ein unglücklicher Start in die Ferien, die unverhoffte Wende und Unsicherheit, die bleibt.

Manchmal komm ich mir etwas vor wie in einer Soap. Mit Cliffhanger und so allem Drum und Dran. Immer wenn ich denke etwas funktioniert, kommt wieder eine Kehrtwende. Und wenn ich mich sorge, klappt plötzlich etwas, das ich nicht oder sogar nie erwartet hätte. – >Dran bleiben es bleibt spannend<  – Als wäre irgendjemanden von uns in irgendeiner Weise langweilig…

In den ersten gemeinsamen Sommerferien, auf die sich nicht nur mein Mann als Neulehrer sehr freute und augenzwinkernd als „Zwangsurlaub“ bezeichnet, planten wir gemeinsam zu verreisen. Doch schon zuvor hatten wir immer wieder Probleme, die Austrittsstelle des Katheders entzündete sich trotz penibler Pflege und Antibiotikasalbe. Die Dialyse weckte uns mit unzähligen schrillen Alarmen. >Ein Index! Merkt der aufmerksame Betrachter< 

Dass das PD-Gerät nicht richtig arbeitet kann viele Gründe haben, Verstopfung und Luft im Bauch können Schwierigkeiten machen, unser Kleiner klemmte auch immer mal wieder den Schlauch mit seinen Beinen ab und vor allem Eiweißfäden können den Auslauf behindern, sie können immer auch Vorboten einer Entzündung sein.. 

Bei einen schönen Sommerspaziergang hatte ich Ende Juli 2015 noch mit der Patentante darüber geredet, dass endlich alles glatt läuft.  Doch als sei uns diese Verschnaufpause nicht vergönnt, wendete sich das Blatt über Nacht Denn am Morgen des letzten Schultags, nach einer kurzen Alarm lastigen Nacht, machte ich wie immer den Leukozyten-Test, der mich zu Anfang immer an einen Schwangerschaftstest erinnerte.> Letzte Folge der Staffel Grund genug für ordentlich Suspence – Großaufnahme < Der Streifen verfärbte sich und zeigte das von mir schon so lange gefürchtete Lila. Es bedeutet: VORSICHT ALARM STUFE ROT – Eine Bauchfellentzündung, das Schreckgespenst aller PD-Patienten. Sie legt nicht nur die Dialyse lahm, sondern kann auch furchtbar schmerzhaft und kann lebensgefährlich werden.  

Der blanke Horror.

Ich rufe in der Kinderklinik an und frage gar nicht was zu tun ist, sondern kündige unser Kommen an.  In meinem Kopf steigen wieder die beklemmenden Erinnerungen an die Intensivzeit auf. >Regieanweisung: Achtung jetzt Rückblende< Die alten Verlustängste warten nur auf eine Gelegenheit wieder hervor zur kriechen. Tausend Gedanken im Kopf: Es kann auch chronisch werden, dann war’s das mit der Dialyse zu Hause, dann geht es Richtung Transplantation (Wobei wir inzwischen wissen dass jede TX auch eine große Chance sein kann). Gleichzeitig der Frust -jetzt also doch wieder in das Krankenhaus. Aber es geht ganz schnell.

Ich packe seine Tasche, ein bisschen wie bei der Geburt, nur das Nötigste nehmen wir mit. Essen, Medikamente für den Tag. Die Pflegerin begleitet uns, mein Mann kommt nach. Wir fahren fast zwei Stunden. Im Radio, Stauwarnungen wegen des Ferienbeginns. Ich bin traurig, enttäuscht und besorgt.So sieht also unser Leben jetzt aus? Ängste, die wahr werden. Andere Familien fahren jetzt in den Urlaub zusammen, wir ins Krankenhaus. Ich könnte heulen.

Der Aufenthalt wird schließlich kürzer als gedacht. Weil wir so schnell gehandelt haben, war es erst eine beginnende Peritonitis. Unser Liebling hat keine Schmerzen, sondern liegt hell wach in seinem Gitterbett mit der altbekannten Elefantenbettwäsche. Heparin und Antibiotika bekommt unser Schatz, mal wieder. Immerhin schlagen die Medikamente schnell an.  Nach einer kurzen Einführung durch die Dialyseschwestern, betreiben wir die PD dann von Hand mit einem Infusionsständer, fünf Einläufe  und Ausläufe sind das pro Nacht. Wir wechseln uns ab und stellen den Wecker, alle eineinhalb Stunde müssen die Beutel getauscht werden. Da wir es selbst übernehmen, müssen wir nicht auf die Intensivstation, dort hätte das Personal auch keine Zeit für dieses langwierige Verfahren.

Dann drei Tage später läuft alles wieder automatisch über den Cycler. Wir dürfen heim. >Happy End – zu dritt mit Dialyse?<  Ein paar Wochen später wagen wir sogar einen Kurzurlaub bei Verwandten, eine angenehme Auszeit, die nach diesem Schreck sehr nötig ist. Für eine Weile haben wir Ruhe zumindest von dieser Baustelle. Zwar geht das PD-Gerät geht zwar einmal kaputt und wird ausgetauscht, aber der Test schlägt nicht mehr an. Wir lernen die Eiweißfäden selbst zu bekämpfen und bekommen die Erlaubnis das von daheim aus zu tun. 

 

 

 

Ich packe meinen Koffer und bin weg – kleine Glücksmomente

Mit Sonde, Dialyse und Medikamenten im Koffer on Tour

Juni 2015, seit fast sechs Monaten waren wir mit ihm raus aus der Klinik und hatten uns soweit zu Hause eingelebt. Die Pflegerinnen sind inzwischen ein eingespieltes Team und wir trauen uns über Pfingsten zehn Tage Urlaub in einer Ferienwohnung im Fränkischen zu machen. Mit Sack und Pack zogen wir los, das hieß in unserem Fall neben dem üblichen Babykram, Kinderwagen, Spucktücher, Windeln, Milchflaschen  jede Menge medizinische Utensilien. Spritzen zum Sondieren, Medikamente, Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel und so weiter. Gott sei Dank gibt es den Service  des Dialyse Herstellers, dass sie uns ein PD-Gerät an den Urlaubsort innerhalb der EU liefern. Ich konnte mir trotzdem nur vorstellen in ein deutschsprachiges Land zu fahren. Zu groß war die Angst davor etwas könnte schief gehen, ein Notfall eintreten…  Dank der netten und geduldigen Wohnungsvermieter klappte die Lieferung des Geräts, seines Zubehörs und die Programmierung, drei extra Termine doch sie öffneten immer die Türe und halfen uns so gut sie konnten alles zu organisieren.

Da mein Mann ein beherzter Papa ist, der nicht ohne mit der Wimper zu zucken Windeln wechselt, sondern auch gelernt hat die Nasogastral-Sonde zu legen, war ich guter Dinge. Die Großeltern begleiteten uns bei der Hinfahrt mit ihrem großen Wohnmobil, so konnten wir den Knirps zwischendurch aus dem verhassten Autositz raus nehmen, all unser Gepäck gut verstauen und hatten auch einen fahrenden Kühlschrank dabei. Eineinhalb Wochen ohne Physiotherapie, Logopädie, Pflegedienst und Arzttermine –  nur wir drei. Eine ganz neue Erfahrung, ein kleines Wagnis.

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Auf dem Bauch lässt es sich gut wandern

Und – es ging gut, richtig gut! Wir hatten tolle Tage, vermieden die verhassten Autofahrten, wanderten mit Kinderwagen von Biergarten zu Biergarten. Immer mit dabei die Kühltasche für Medikamente, Tragetasche und Wechselkleider. Der Kleine lag überstreckt wie eh und je auf dem Bauch aber er duldete es zu mindest längere Zeit im Wagen abgelegt zu werden. Er kam aus de Staunen nicht heraus, das Grün das uns auf den Wald- und Wiesenwegen umgab, die Aussicht auf dem Höhenweg, bemooste Felsformationen, die alte Dorflinde, unter der wir Rast machten. Er schnaufte durch und wir mit. Wir waren richtig stolz das alles hinzubekommen.