Wahnsinn, der nie endet. Systematische Diskriminierung im Musterländle.

„Wann ist dieser Wahnsinn endlich rum?“ fragen alle und keiner hat mehr Geduld für Corona. Nun selbst, wenn die Pandemie mal durchstanden ist, weiß ich eines gewiss: Für uns pflegende Familien gibt es auch dann keine Normalität!

In unserem Landkreis lag bis vor kurzem die Inzidenz bei +- 300. Doch die Kinderarztpraxis will unseren Räubersohn nicht im off-label-use impfen lassen auch die Tübinger Kinderklinik weigert sich. Dabei würden wir selbstverständlich einen Haftungverzicht unterzeichnen. Wir warten und hoffen noch eine Praxis zu finden, die uns hilft! Wir können auch seine Schwester nicht ewig zu Hause lassen. Im Kindergarten sind übrigens noch nicht mal Masken vorgeschrieben bei der „Arbeit am Kind, geimpft sind auch hier nur wenige, ähnlich wie bei unserem Pflegedienst und unseren Therapeutinnen. Immerhin soll Biontec bald für 12-Jährige frei gegeben werden. Eine schwere Erkrankung wie Covid wäre das Letzte was er nun bräuchte, denn leider sind die Blut- bzw Nierenwerte unseres Juniors wieder am schlechter werden. Das heißt wir nähern uns erneut der Dialyse und Listung. Nicht einmal die zweite Hüftoperation wird nun durchgeführt, zu groß die Sorge des Orthopäden, dass es das Zünglein an der Waage zum Kollaps der Nieren wäre.

Zurück zur Normalität, das gibt es bei uns nicht. Nur weniger Isolation, mehr Kontakte zu Freunden und Familie, ein paar kleine Auszeiten – das wäre so wichtig und würde mir helfen wieder mehr Kraft schöpfen zu können. Aktuell schlittere ich durch die Wochen. Reagiere satt agiere. Existiere. Meist müde und entnervt.

Unsere Gerichtsverhandlung wegen der Sondennahrung, die vor Beihilfe BW nur anteilig übernommen wird (wobei wir den Hauptbatzen tragen nämlich Jährlich 1440€ während sie nur ca. 180€ zahlen) hat übrigens tatsächlich stattgefunden inzwischen. Und wir sind kolossal gescheitert – denn das Beihilfegesetz stellt sich einfach über die UN-Behindertenrechtskonvention sowie das Grundgesetz. Warum sollen Minderjährige, Schwerkranke und mehrfach behinderte Menschen Spezialnahrung zuzahlungfrei erhalten? So ein unnötiger Luxus! Aktuell bekommt unser sechsjähriger Sohn, der chronisch verchleimt ist, noch nicht einmal seine Inhaltionslösung erstattet. Luft bekommen ist ja auch so ein Schnickschnack. Ja, man wird zynisch und verbittert. Und gelegentlich angriffslustig..

Letzte Woche habe ich dem LBV ein Foto des Schleimbergs geschickt, den unser Liebling mühsam abhustet jeden Tag. Wenn das wirkungslos bleibt, schicke ich gefüllte Moltontücher per Paket! Die Leiterin der Abteilung versteht uns hat sie uns inzwischen mitgeteilt, allerdings seien auch ihr die Hände gebunden. Es gibt seit diesem Jahr eine Regelung, dass schwerkranke Kinder ab 6 Jahren Inhaltationslösung erstattet bekommen – allerdings nur wenn diese an Mukoviszidose leiden. Kinder und Erwachsene mit COPD, Asthma, mehrfach Behinderung mit geringem Lungenvolumen oder andere Schwersterkrankte bekommen nichts erstattet. Und wir reden von 40€ pro Großpackung und Inhalieren muss man meist mehrmals täglich. Ein Unding und eine behördliche, systematische Diskriminierung ist das. Ableismus pur – nur wen interessiert es?

Wir werden – sobald es meine Kräfte zu lassen -gemeinsam mit anderen Eltern diese Zustände öffentlich machen und eine Landtagspetition starten. Denn weiterer Irrsinn liegt vor bei Hilfsmitteln wie bsw. Therapiestühlen, bei denen ein Eigenanteil anfällt und die nur partiell finanziert werden, andere bekommen keine Haushaltshilfe für die restliche Familie, wenn Mutter und Kind wochenlang in der Klinik oder Reha sind, bei Therapien wie Logopädie werden zu niedrige Stundensätze vorgegeben, so dass die Familien pro Rezept oft zwischen 150€ und 240€ drauf legen müssen und auch die Sätze der ambulanten Kinderpflegende werden vom Amt inzwischen angezweifelt.

Wir haben bereits vor Monaten den Lvkm sowie die Behindertenbeauftrage gebeten uns zu unterstützen, da die Beihilfe uns pflegenden Angehörigen das Leben immer schwerer macht. Doch da bei uns ja ein Verfahren anhängig war, durften sie sich nicht einmischen, vielleicht jetzt wo es verloren ist und es gibt ja wie gesagt noch genügend anderes, das uns Nerven kostet. Seit Neuestem gehen Widersprüche bei der Beihilfe auch nur noch postalisch – während die Ablehnungen wie am Fließband funktionieren, seit dem feste Sachbearbeiter*innen aufgehoben wurden. Auch wenn dicke Akten vorliegen zu all den Krankheiten, wird munter ablehnt ohne diese zur Kenntnis zu nehmen – es ist zu Durchdrehen!!

Willkommen in den 50iger Jahren! Mutti sitzt gerne zu Hause und tippt Briefe als unbezahlte Sekretärin. Danke für Nichts und das Leben schwer machen – mit einem Kind das unheilbar krank und viele auch lebenslimitierend erkrankt sind, haben wir Familien nichts besseres zu tun als Widersprüche zu schreiben und Spenden zu sammeln bei Ablehnung. Den der Gang vor Gericht bringt wie gesagt nichts diese Diskriminierung ist in Baden-Württemberg js legal!

Wenn unsere werte Landesregierung sich endlich mal formiert hat, nach zwei Monaten, haben wir hoffentlich endlich auch wieder Ansprechpartner*innen, der letzte, der Inklusions- und Behindertenbeauftrage von den Grünen, hatte im Wahlkampf leider keine Zeit für unsere Belange. Und sich danach auch nicht mehr gemeldet, nur zwischen durch verlauten lassen, wir sollen nicht weiter nachfragen, es sei in Arbeit. Bisher ohne Ergebnis.

Diese anhaltende Diskriminierung auf allen Ebenen. Ich habe es so satt! Ich bin gespannt was bezüglich des inklusiven Schulplatzes noch auf uns zu kommen wird. Das Elternwahlrecht wird in BW weiter unter den Teppich gekehrt bzw. regelrecht bekämpft. Wer berät bsw. zur Wahl des Schulplatzes? Richtig, die Beratungsstellen der Sonderschule! Denn hier im Landkreis Heilbronn läuft es so, dass es zwar ein Recht auf einen inklusiven Schulplatz gibt ABER nicht vor Ort! Während die Sonderschulen vergleichsweise nah liegen, kann ein Kind mit schwerer Behinderung sonst wohin geschickt werden, statt mit seinen Geschwistern oder Nachbarskinder zusammen in die Grundschule zu gehen!! Das ist keine Inklusion – das ist Fremdbestimmung und Willkür pur!! 12 Jahre nach in Kraft treten der UN-BRK.

Andersnacht: Genug vom Unsichtbar sein. Fazit zum Jahresende.

Was für ein seltsames Jahr war 2020 bitte? Mir kommt es vor wie mindestens zwei Jahre. Die zwei Monate vor Corona, dann der erste Lockdown, der seltsame Sommer der Unvernunft – und nun – die zweite Welle mit Lockdown zu Weihnachten. Adventszeit ohne Weihnachsmärkte und Feiern dafür mit Alkohol für die Hände, Tests to go und Quarantäne-„Gemütlichkeit“.

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Reihe pflegende Väter – andere Wege: Christian von EinzigNaht.

Die Abstände meiner Blogbeiträge sind weiterhin groß  – doch wie ihr bestimmt auf meinen anderen „Kanälen“, wie Instagram und co. gesehen und gelesen habt, ist es nicht von ungefähr ruhig auf dem Blog gewesen: Ich durfte Rede und Antwort als bloggende, pflegende Mutter im Rahmen von zwei medienpädagogischen Seminaren stehen, wurde zum Mitmachen beim Podcast Wegbegleiter von der Palliativcare Landesstelle eingeladen und konnte einen kleinen Beitrag für die erweitere Neuauflage des wunderbaren Elterratgebers von Susanne Bürger „Wenn das Leben intensiv beginnt“ beisteuern. Bald gibt es auch wieder eine Protestaktion der Pflegerebellen, nämlich am 04.04.2020 in Ludwigsburg. 

Und nun freut es mich euch endlich wieder einen Gastbeitrag in meiner „Papa Reihe“ vorstellen zu dürfen.

Christian Boris Brunner und seine Familie sind gleichzeitig auch eine neue Serie wert, – die ich „andere Wege“ nenne, denn sie haben es geschafft sich neu zu (er-)finden und das nicht trotz, sondern gerade wegen der Behinderung bzw. des Syndroms das ihre jüngere Tochter Laura (4) hat.  Zur Familie gehören noch ihre ältere Schwester Yasmina (11) und Mama Sandra. 

In diesem Interview geht es deshalb nicht nur um Christian und sein Leben als special-needs-Vater, sondern auch um seine Frau, da sie beide zusammen ein inklusives Unternehmen, einzigNaht auf die Beine gestellt haben. Sie fertigen maßgefertige Kleidung für Kinder mit Behinderung und Erkrankungen in Hamburg.

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 Was für eine Behinderung hat eine eure jüngere Tochter?

Unsere Tochter Laura hat das seltene Williams-Beuren-Syndrom. Es tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1:10.000 ein und entsteht durch den Verlust von genetischem Material auf dem Chromosom 7. Da es auch noch heute nur wenige Ärzte kennen, wurde das Syndrom bei Laura erst durch Genanalyse vor ca. zwei Jahren entdeckt. Davor wussten wir schon, dass sie besondere Bedürfnisse hat, wurden aber leider nicht immer ernst damit genommen. 

Wie lange pflegst du schon eure Tochter mit? 

Als unsere Tochter Laura auf die Welt kam, veränderte sich von heute auf morgen unser Leben. Wir haben uns wahnsinnig gefreut, Laura in unsere Mitte zu nehmen. Allerdings war sie bei der Geburt sehr zart und ultradünn und – obwohl sie über dem Stichtag geboren wurde – hatte sie viele Anzeichen eines Frühchens. Meine Frau beschreibt sie manchmal wie ein ‚Skelett im Hautmantel‘. Laura schrie täglich sehr viel, teilweise bis zu 12 Stunden am Tag und hatte einen Betreuungsbedarf von 20 Stunden pro Tag (!). Laura hat alles in ihrer Umgebung, was neu war als Bedrohung empfunden. Wir hatten das Gefühl, dass sie neuen Reizen, fremden Stimmen, Geräuschen nur schwer verarbeiten konnte. Deshalb war Besuch, Autofahren oder gemeinsam mal in die Stadt gehen überhaupt nicht möglich. Wir waren gefangen Zuhause in unseren vier Wänden und froh, wenn mal ein kurzer Spaziergang mit dem Kinderwagen ging. Insofern pflegen Sandra und ich Laura seit ihrer Geburt an. 

Ihr tragt viel Verantwortung als pflegende Eltern. Wie habt ihr die Care-Arbeit zu Hause aufgeteilt? 

Anfangs hat sich meine Frau Sandra rund um die Uhr um Laura gekümmert und ich habe noch Vollzeit als Manager gearbeitet – oft mehr als die üblichen Arbeitszeiten. Als ich dann nach Hause kam, ist Sandra oft gleich ins Bett mit Laura gegangen und ich habe mich um unsere große Tochter gekümmert und den Haushalt gemacht. Das war ein absoluter Alptraum. 

Als wir dann merkten, dass dieser Zustand nicht vorübergehend ist, sondern Alltag für uns, haben wir uns privat und beruflich komplett neu erfunden. Das ging nicht von heute auf morgen. Wir haben uns aber Schritt für Schritt ein Leben mit den beiden Kindern aufgebaut, das alle Bedürfnisse unter einen Hut bringt. Ich habe zunächst meinen Vollzeit-Job gekündigt und Sandra und ich haben beide halbtags als Angestellte gearbeitet. Das hat uns beide entlastet, und wir konnten uns gegenseitig unterstützen und sozusagen „auf Lücke“ arbeiten. Und dann haben wir uns in kleinen Schritten eine Selbständigkeit aufgebaut und das Startup einzigNaht gegründet. Denn als pflegende Eltern war für uns ein ‚normaler‘ Job mit geregelten Arbeitszeiten nicht mehr möglich war – für keinen von uns. Neben einzigNaht arbeite ich seit 2019 noch als Berater für Branding und Marketing für andere Startups sowie für mittelständische Unternehmen. Wir möchten unsere Erfahrungen als Gründer weitergeben und ebenso mittelständischen Unternehmen helfen, sich weiter zu entwickeln. Denn mehr und mehr möchten Mitarbeiter wissen, welchen Sinn ein Unternehmen verfolgt. Und ich glaube fest daran, dass dies ein Erfolgsfaktor für Unternehmen ist und motivierend auf Mitarbeiter in ihrem Tun wirkt.

Wenn ein Kind schwer erkrankt oder behindert ist, wirbelt es die ganze Familie auf. Siehst  du auch positive Aspekte darin, dass euer Leben auf den Kopf gestellt wurde?

Da hast Du absolut recht. Es hat nicht nur unsere Familie aufgewirbelt. Es war ein richtiges Erdbeben. Und kostet Dich unglaublich viel Kraft.

Kraft setzt umgekehrt neue Energie frei

Was mich verwundert: Die Liebe zu Deinem Kind kann Dir noch soviel abverlangen, es werden unglaublich viele Kräfte in Dir frei. So schläft Sandra bis heute – seit über vier Jahren – nicht mehr nachts durch, bei mir ist es ähnlich. Und doch schaffen wir es immer wieder morgens aus dem Bett zu kommen, unseren Alltag zu meistern. Wir freuen uns sogar auf den Tag. 

Ich persönlich hätte nie gedacht, was alles möglich ist. Ich kannte diese ganzen schlauen Sprüche wie „wenn Du es nur ganz tief in Deinem Innernsten willst, dann schaffst Du das“ schon früher. Allerdings am eigenen Leib zu erfahren, wieviel Kraft und Energie wir an den Tag legen können, wenn Du einfach dazu gezwungen bist, ist ein unglaubliches Gefühl. Wir hatten Tage, da wussten wir nicht, wie es bei uns in zwei, drei Monaten finanziell weiter gehen soll, mal ganz abgesehen, dass du nie weißt, wie es mit Deinem pflegebedürftigen Kind nächste Woche aussieht und wie Du Dein anderes Kind und seine Bedürfnisse unter einen Hut bekommst. Wir wussten aber, dass es – wie es in unserer damaligen Situation anfangs war – nicht mehr weitergehen kann. Dabei haben wir ein so tiefes Vertrauen in die Zukunft, in unsere Partnerschaft, in unsere Familie gewonnen, obwohl wir quasi „in der Luft hingen“ und keine Hilfe und Unterstützung bekommen haben. Und kurze Zeit später haben sich dann wieder neue Möglichkeiten ergeben und Lösungen aufgezeigt oder wir haben einfach neue Ideen gehabt. Der Glaube an eine Zukunft, die Hoffnung auf eine Lösung kann wirklich unglaubliche Kräafte freisetzen. 

Teilen mit anderen Eltern ist unglaublich

Wir stehen viel im Austausch mit anderen Eltern, die ein pflegebedürftiges Kind haben. So sind wir bspw. dem Bundesverband Williams-Beuren-Syndrom e.V. sehr dankbar für sehr viel Wissen über das Syndrom unserer Tochter, den Austausch in der Facebook Gruppe dieses Vereins oder der Facebook Gruppe ‚Papas mit behinderten Kindern‘. Die Hilfe, die wir von anderen betroffenen Eltern erfahren, das Teilen von Wissen aber auch das Verständnis bringt Dir viel Rückhalt und gibt einem ganz viel Kraft. Wenn wir bei Anträgen und Ablehnungen in Frust verfallen, helfen einem diese Leute mehr als jeder Sachbearbeiter oder Inklusionsbeauftragter. Denn sie verstehen Dich, sie fühlen mit Dir, sie denken mit, wenn Du und Dein Kind was brauchst. Denn sie kennen diesen Frust und das „sich alleine gelassen fühlen“ genauso. Sie lassen sich aber genauso wenig unterkriegen. Das ist großartig und wir sind sehr dankbar für diese tollen Menschen. Denn sie haben wirklich keine Zeit und helfen Dir trotzdem. Sie wissen warum. Sie kämpfen genauso für ihr eigenes Kind mit den gleichen Hürden und stereotypen Vorurteilen in unserer Gesellschaft. 

Was kostet dich die meiste Kraft und welche Umstände sollten sich deiner Meinung nach – gerade als pflegender Papa – dringend ändern?

Wenn Du ein pflegebedürftiges Kind hast, ist das am Anfang ein Schock für Dich. Das Leben verändert sich und Du wirst ganz schön gefordert – sowohl körperlich als auch psychisch. Das bestätigt Dir jeder. Du fühlst Dich, als würdest Du einen Marathon laufen, bei dem Dir alles abverlangt wird. Nur mit dem Unterschied, dass Du ständig Bleigewichte noch ans Bein gebunden bekommst – in Form von neuen Anträgen der verschiedensten Behörden, Bestimmungen, Gesetzen, unverständlichen Regelungen, Annahmen, die nicht der Realität entsprechen oder Vorgaben, die Du nicht im Alltag bei der Pflege umsetzen kannst usw. 

Es gibt leider einige Punkte, die wirklich noch in den Kinderschuhen in unserer Gesellschaft sind und dringender Handlungsbedarf besteht. Grund dafür ist auch, dass diejenigen Menschen, die die Gesetze und Regeln machen und meinen Dir dann noch Empfehlungen geben zu können, gefühlt gar nicht wissen, was ein Leben mit einem eine pflegebedürftiges Kind im Alltag für Dich und Deine ganze Familie bedeutet.

  1. Ein Fürsorgegehalt wäre so wichtig für Eltern pflegebedürftiger Kinder

Neben den extremen Anforderungen an die Pflege Deines Kindes, hast Du schnell finanzielle Existenzängste. Wenn Dein Kind in ein Heim kommt, das wird das bezahlt. Viele tausend Euro werden direkt dafür bezahlt! Sobald Du Dich aber entscheidest, Dein Kind zu Hause zu pflegen, fällt mindestens ein Familieneinkommen weg und teilweise sogar noch ein Drittel des zweiten Einkommens. Das Pflegegeld sind ein paar hundert Euro, die Du schon brauchst um bestimmte Hilfsmittel für Dein Kind zu kaufen, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Diese finanziellen Ausfälle werden nicht aufgefangen und bringen Dich in eine sehr kritische Lage. Du hast neben den Sorgen um Dein Kind Sorgen wie es finanziell weiter geht. Es wird zwar für die pflegende Person die Kranken- und Rentenversicherung übernommen, aber das war es dann auch schon. Die Anträge für die verschiedensten Ämter alleine sind schon ein enormer Zeitaufwand und überall klagen die Ämter, dass sie überlastet seien. Haben die vielleicht mal überlegt, was mit uns als Eltern ist? Sie bitte uns noch um Verständnis, obwohl wir nun die Unterstützung der Gesellschaft brauchen! (Wir haben nicht dafür HIER gerufen, werden oft aber so behandelt!). Es wäre wunderbar, wenn zumindest diese Angst, neben den Sorgen über das Kind, nicht mehr da wäre. Ich finde es unerträglich, wenn sich Eltern nur deswegen für ein Heim entscheiden müssen, weil es nur so finanziell möglich ist. Das ist ein schrecklicher Gedanke!

2.  Nicht nur reden, sondern auch tun! 

Viele Politiker reden über Inklusion, aber leider kommt wenig an der Basis unserer Gesellschaft an. Was aber viel schlimmer ist, ist oftmals der Umgang mit Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen. Obwohl Dein Kind eine Diagnose hat – und wie in unserem Falle sogar unter Ärzten und beim Bundesverband Williams-Beuren-Syndrom e.V. viel über das Syndrom, den Bedarf der Kinder, mögliche Förderungen und Entwicklungen erforscht und belegt sind, müssen wir fast immer dafür kämpfen, dass Dein Kind diese Fördermittel oder Förderungen auch bekommt. So war bei uns bspw. trotz frühzeitiger Antragstellung (3 Monate vor Kita-Beginn) kein Arztbesuch beim Amtsarzt für die Einstufung unserer Tochter möglich. Umgekehrt sitzen wir heute noch auf Kosten, die der Staat uns in Rechnung stellt, weil genau dieser Artzttermin NACH dem Kita-Beginn war. Das ist gesetzlich falsch, es wurde allerdings so von einem Amt entschieden. Da musst Du dann gleich einen Anwalt einschalten, denn bis heute haben wir z.B. keine Antwort auf unseren Widerruf. Wir kennen viele andere Eltern mit pflegebedürftigen Kindern, die ständig Anwälte einschalten müssen, nur um das geltende Recht für ihr Kind auch zu erhalten. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern insbesondere viel Zeit – die Du nicht hast!

3. Anträge folgen dem Prozess des Passierscheins A38 von Asterix und Obelix 

Wir – und jede andere Familie mit pflegebedürftigem Kind, die wir kennen – müssen für ALLES einen Antrag stellen. Und diese Antragstellungen sind ein Kampf. Es ist vergleichbar mit dem Passierschein A38 bei Asterix und Obelix. Nur mit dem feinen Unterschied, dass die meisten Mitarbeiter in öffentlichen Einrichtungen, die Deine Anträge bearbeiten darauf hinweisen, dass sie überlastet seien. Dass Dein Kind aber keine Wochen, Monate auf ein Hilfsmittel warten kann, weil es das Hilfsmittel JETZT braucht, interessiert keinen.

4. Bittsteller anstatt Antragsteller 

Wir fühlen uns sehr oft als Bittsteller für unsere Tochter, wenn wir einen Antrag für etwas stellen, was sie dringend braucht. Dabei leben wir in unserer sozialen Marktwirtschaft, in der die Schwächeren besonders unterstützt werden sollen. Wenn Du gute Steuersätze bezahlst und entsprechende Krankenkassen-Gebühren, wirst Du darauf verwiesen, dass Du zur sozialen Marktwirtschaft beiträgst. Bist Du aber jetzt in einer Situation, wo Dein Kind etwas braucht, dann ist das ein ganz mieses Gefühl. Denn ganz oft wird Dir und Deinem Kind kein Respekt entgegen gebracht. 

Viele Sachbearbeiter behandeln uns wie lästige Bittsteller, von deren Urteil wir abhängig sind. Oft fühlt es sich wie reine Willkür an, ob etwas genehmigt wird oder nicht. Es ist ein absolutes Gefühl der Scham, ständig Anträge schreiben zu müssen und fast immer mit unsensiblen Antworten von nicht dafür geschulten Sachbearbeitern konfrontiert zu werden. Dabei ist bspw. klar, dass das Syndrom unserer Tochter ein Leben lang sie begleiten wird. Trotzdem musst Du immer wieder gleiche Anträge über die Jahre hinweg stellen. Wenn ich es nicht für meine Tochter machen würde, dann hätte ich es für mich selbst wahrscheinlich schon eingestellt, weiter Anträge zu stellen. Aus reiner Scham, so behandelt zu werden.

5. Fachkenntnis von Sachbearbeitern wäre toll

Wir erleben immer wieder, dass Sachbearbeiter bei Kranken- oder Pflegekassen oft noch nicht mal das Williams-Beuren-Syndrom und die Auswirkungen auf einen Mensch kennen, aber darüber entscheiden, ob unsere Tochter ein bestimmtes Hilfsmittel braucht oder nicht. Sie informieren sich noch nicht mal über das Syndrom oder lassen sich Unterlagen dazu von uns zur Verfügung stellen. Es wird nach Aktenlage ohne wirkliche Kenntnis entscheiden. Das ist manchmal wirklich erschreckend. Deshalb plädiere ich an Herrn Spahn, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, denn es kommt mir so vor als würde der Architekt entscheiden, was ein Bauer bei dem Wetter von übermorgen bitte heute anbauen soll. Dabei brauchen wir Fachkompetenz damit jeder in unserer Gesellschaft die individuelle Unterstützung, die er oder sie braucht.

6. Bitte kein Mitleid 

Menschen mit Einschränkungen im Alltag wollen kein Mitleid, sie wollen nicht angestarrt werden. Sie kennen ebenso diese betroffenen Pausen in einer Unterhaltung. Die wollen sie auch nicht. Sie möchten genauso wie Du und ich am Leben teilnehmen, Freude am Leben haben. Behinderung ist nichts Trauriges, nichts Schlimmes. Aber wir machen es zu oft dazu. Weil wir noch viel zu unflexibel, zu ungezwungen mit besonderen Situationen umgehen. Systeme in unserem Gesundheitssystem sind starr, standardisiert und nur schwer zu ändern. Allerdings hat unser Gehirn die wundervolle Fähigkeit höchst flexibel zu sein, sich ständig verändern zu können: Lasst uns diese tolle Fähigkeit im Alltag einsetzen und flexibel auf Menschen mit Einschränkungen reagieren, ohne Vorurteile oder vorgefertigte Meinungen. Sie haben ein Recht darauf. Und sie werden Euer Leben bereichern, wenn Ihr Euch darauf einlasst.

7. „Ich könnte das ja nicht“

Viele Eltern sagen uns immer ein „Ich könnte das ja nicht“, wenn sie von dem Syndrom unserer Tochter Laura hören und von der Situation. Aber wir haben uns das nicht ausgesucht und mussten die Situation einfach so nehmen wie sie ist. Da hast du KEINE WAHL. Egal ob Du es könntest oder nicht. Deine Liebe zu Deinem Kind ist größer. Und ob du es könntest oder nicht, das kannst du erst dann sagen, wenn Du die Situation selbst durchläufst. Mal davon abgesehen: Was ist die Alternative? Ein Kind dafür abzutreiben oder zur Adoption frei geben? Das könnte ich ehrlich gesagt nicht!

8. Kinder nimmst Du nicht aus dem Regal und legst sie wieder zurück, wenn sie Dir nicht gefallen oder nicht Deinen Vorstellen entsprechen!

Ein Kind gibt es nie so, wie Du es Dir gerne im Bilderbuch aussuchen willst. Viele Eltern selektieren heute schon Kinder vor, entscheiden, ob sie das Kind der Welt fernhalten, nur weil es vielleicht eine Behinderung hat. Krankenkassen unterstützen diesen Prozess des Aussortierens leider heute bereits! 

Aus meiner Sicht hat kein Mensch ein Recht, ein Kind im Mutterleib zu töten, nur weil er andere Pläne im Leben hat. Denn die Aufgaben kommen zu Dir als Mensch. Nicht umgekehrt! Ich glaube ganz fest daran, dass es für alles eine Lösung gibt und wenn nicht, hast Du die Fähigkeiten genau diese Lösung zu finden. Denn es gibt einen Grund, warum du mit einer besonderen Situation im Leben konfrontiert wirst. 

Mein Leben hat sich grundlegend geändert. Ich habe viele Einschränkungen durch ein pflegebedürftiges Kind. Kann nicht das Bilderbuch-Leben leben, das ich mir vorgestellt habe. Umgekehrt habe ich ein neues, ganz anderes tolles Leben voller Konfetti erhalten, das ich mir nie vorgestellt hätte. Und genau deshalb hab ich ganz neue Dinge an mir, meinen Fähigkeiten und meinen Mitmenschen erkannt, die ich sonst nie entdeckt hätte. Der Clou daran ist aber die Akzeptanz für eine bestimmte Situation in der du bist! Und nicht der Vergleich mit anderen Menschen – einem höher, schneller, weiter. Sondern der Fokus auf das Schöne, was Dir begegnet, die neuen Möglichkeiten, die Du bekommst – und nie zuvor gesehen oder erahnt hättest. 

Möchtest du noch etwas berichten, das dir ein wichtiges Anliegen ist? 

Besondere Menschen haben besondere Fähigkeiten. 

Wir sehen in unserer Gesellschaft oft nur das, was besondere Menschen NICHT können. Wir werden oft gefragt, wie es denn mit Laura weiter gehe, wenn sie was älter ist, weil sie nicht auf eine normale Schule kann. Wenn sie erwachsen ist und nicht alleine wohnen können wird. Und nicht laufen und sprechen kann, obwohl sie schon vier Jahre alt ist!

Dabei sollten wir uns doch vielmehr fragen, was Menschen mit Einschränkungen denn besonders gut können! Menschen mit Williams-Beuren-Syndrom sind bspw. besonders musikalisch! Es gibt eine erwachsene Opernsängerin. Wir kennen Kinder, die fast perfekt ein Instrument im Jugendalter schon beherrschen. Oder Kinder, die eine Melodie hören und sie dann einfach auf einem Instrument nachspielen. Oder eine Laura bei uns zuhause, die vor Glück nur so strahlt, wenn sie Rockmusik hört. Ich kenne keinen anderen Menschen, der so voller Lebensfreude strahlt!

Unsere Laura hat ein unglaubliches Mitgefühl. Sie weiß immer genau, wie wir uns fühlen, wie es in uns drinnen aussieht. So sagte mal eine Betreuerin in ihrer Kita, dass ihr es morgens sehr schlecht ging, sie deshalb fast nicht zur Arbeit gekommen wäre. Als Laura diese Betreuerin dann morgens sah, drückte Laura sich direkt ganz fest an sie und gab ihr das Gefühl, dass sie froh ist, heute da zu sein. Die Betreuerin erzählte uns dann am Nachmittag, dass genau diese Situation am Morgen den Tag für sie komplett verändert hat.

Und genauso wünsche ich mir, dass wir in jedem individuellen Menschen das Besondere sehen, was ihn oder sie so besonders macht. Was er oder sie besonders gut kann und ihn/sie als Menschen so einzigartig macht und nach außen strahlen lässt. Denn wenn wir alle unsere Fähigkeiten in unserer Gesellschaft mal zusammen nehmen, dann wird es ziemlich bunt. Und genau mit diesem Konfetti könnten wir unsere Gesellschaft feiern! Fangt doch mit uns schon mal damit an!

 

Die Pflegerebellen kommen: Wir lassen es nicht mehr zu!

Es rührt sich was, wenn tausende pflegende Angehörige rebellieren und aufbegehren!
Hört ihr es? Das Raunen und Zischen: Wir! Erst zögerlich und mit gerunzelter Stirn genuschelt. Dann ein lauteres Rufen mit den Armen in die Hüfte gestemmt und schon deutlich zu vernehmen: Wir !! Noch immer wird bewusst weggehört. Aber wir holen uns Megaphone und werden laut! Wir schreien auf und schreiben Plakate – online auf verschiedenen Socialmedia Kanälen starten die erste Aktionen mit eindeutigen Hashtags und Bildern.

Bald seht ihr uns auf der Straße, erste Demos haben bereits gestartet – wie heute am 13.07.2019 in Köln bei der „Pflege am Boden“ auf dem Domplatz bei der sich unter die ausgebildeten Krankenpfleger*innen, die den Pflegenotstand und die schlechte Arbeitsbedingungen anprangern, zunehmend auch pflegende Angehörige mit ihren Bannern mischen – zu Recht!

Denn wer pflegt die Großzahl der alten, schwer kranken und behinderten Menschen?

WIR !!! Die Mütter und Töchter, die Väter und Söhne, Brüder und Schwestern, die Ehefrauen und Ehemänner, die Lebenspartner*innen und andere Angehörige.
Es sind vor allem Frauen aber auch einige Männer, die ihre bezahlte Erwerbstätigkeit stark einschränken oder ganz aufgeben müssen, weil sie sich um ihre pflegebedürftigen Lieben kümmern.

Doch diese Carearbeit wird nicht honoriert. Es gibt nach wie vor keine Fürsorgegehalt – auch nicht für das Versorgen von komplett unselbstständigen Menschen, die rund um die Uhr medizinische Versorgung und Betreuung benötigen – höchstens Aufstockung nach Harz IV, ist der Lohn für diese kräftezehrende Aufgabe. Das Pflegegeld von 901 €/ Monat (bei dem höchsten PflegegradV) entspricht in keiner Weise dem Mindestlohn, wenn die reelle Arbeitszeit berücksichtigt wird. Und professionelle Pflegedienste – oder Heime würden über 1000€ mehr erhalten (1995 €/ Monat), obwohl sie damit niemals den gleichen Stundenumfang wie die pflegenden Angehörigen abdecken können.

Das ist entwürdigend und ungerecht! Wenn Wir! alt sind, droht uns zusätzlich noch Altersarmut, da wir so kaum Rente erhalten und auch nicht privat vorsorgen können. Wer kümmert sich um uns? Viele sind bereits in der Mitte des Lebens auch am Limit – auch existenziell.

Und wir reden hier nicht von einer kleinen Gruppe, sondern unzähligen privat Pflegenden, das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamts in ihrem letzten Pflegebericht (destatis 18.12.2018):

„Gut drei Viertel (76 % oder 2,59 Millionen) aller Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Davon wurden 1,76 Millionen Pflegebedürftige in der Regel allein durch Angehörige gepflegt. Weitere 0,83 Millionen Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, sie wurden jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste versorgt. Knapp ein Viertel (24 % oder 0,82 Millionen Pflegebedürftige) wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut.“

Wir! Pflegenden Angehörigen sind somit keine Mitglieder einer zu vernachlässigenden Randgruppe – sondern rund 2 Millionen! Trotzdem wird vor allem in den Diskussionen von und mit Fachkräften gesprochen, von Krankenpfleger*innen und Altenpfleger*innen. Wir!, die uns ebenfalls jeden Tag kümmern – unsere uns Anvertrauten waschen, ihnen Essen geben, ihre Sonden und Katheder versorgen, Windeln wechseln und Hilfsmittel anziehen, tagsüber chauffieren und telefonieren, nachts unzählige Male aufstehen – Wir! bleiben fast immer außen vor. Nur selten werden Wir! – geschweige denn die Pflegebedürftigen selbst – nach den Missständen gefragt, die uns alltäglich schwer belasten.

Dabei sind WIR !!! Deutschlands größter Pflegedienst – wie u.a. die Vorsitzende von „Wir! Stiftung pflegender Angehöriger“ Brigitte Bührlen nicht müde wird laut auszusprechen bei Fachtagungen, Konferenzen, gegenüber von Bundestagsabgeordneten und bei TV Talkshows und Tageszeitungen. Sie gibt uns eine Stimme, ihre Stiftung eine Lobby, trotzdem wird weggesehen. Wir! Sind in der politischen Debatte weitgehend unsichtbar!

Ähnlich wie bei Menschen mit Behinderung wird in der Regel ÜBER uns geredet aber fast NICHT MIT uns gesprochen!

Und dabei betrifft es uns auch direkt: Wir! sind in unserem Alltag „Co-behindert“!
Kämpfen immer wieder aufs Neue um die Versorgung unserer „Pfleglinge“ vom Pflegegrad, den Behindertenausweis über Hilfsmittel, Therapien, Medikamente. Fordern Teilhabe, überhaupt gehört und ernst genommen zu werden von den Ämtern und im Sprechzimmer, bitten um Assistenz und fordern Unterstützung im Alltag – kurzum das was Pflegebedürftigen laut Recht zu steht – doch oftmals landen wir damit vor dem Gericht!

Wir haben 24h-Jobs als Carearbeiter*innen über Jahre und die Entlastung, die uns gesetzlich zusteht, ist meist nicht zu realisieren, weil zu viele Hürden bestehen oder keine Angebote, wie Kurzzeitpflege, in ausreichendem Umfang vorhanden sind.

Der Notstand in der professionellen Pflege kommt hinzu. Wir müssen auch in der Klinik mit anpacken, es wird davon ausgegangen, dass wir unsere Lieben – egal, ob Kind, Jugendlicher, Erwachsener oder älterer Mensch – stets mit versorgen bei stationären Aufenthalten, sei es nach Eingriffen oder zu therapeutischen Zwecken.

Gesetzliche Neuerungen wie, dass wir unseren pflegebedürftigen Angehörigen nun zur eigenen Kur mitnehmen dürfen, sind eine Farce. Wie soll man oder frau sich während der Fortsetzung der Pflegetätigkeit denn bitte schön regenerieren? Und es gibt auch quasi keine Einrichtung die Pflegebedürftige – ins Besondere Kinder mit Pflegegrad V – aufnimmt! Das ist auch der einzige Punkt, der neuen Pflegestärkungsgesetze, der sich direkt auf uns bezieht. (Am Rande wird noch über Reduktion des Eigenanteil für die Heimkosten debattiert. Was wieder nur primär die Senioren betrifft.)

Pflegende Eltern behinderter oder chronisch kranker Kinder sowie Young Carerers (junge Menschen, die pflegebedürftige Familienmitglieder versorgen) werden doppelt übergangen, als seien sie nicht existent. Nur bei äußert wenigen Fachforen spricht man mit uns direkt.

Und es ist (über-) lebenswichtig für unsere körperliche und psychische Gesundheit, dass wir uns zwischendurch erholen und eine wirkliche Auszeit haben.
Denn Wir! kommen nie wieder raus aus unserer Verantwortung. Wir! sind auch häufig gezwungen Zuzahlungen leisten zu medizinisch relevanten Dingen wie Arzneimitteln und Therapien, während unsere inzwischen erwachsenen Kinder mit Handicap das Essengeld vom Minilohn in den exklusiven Jobs der Werkstätten abgezogen wird. Wir werden zur Kasse gebeten, wenn wir nicht mehr können und unsere Pflegebedürftigen in Einrichtungen, meist nach langer Wartezeit, einen Platz gefunden haben. Doch nötige Hilfsmittel erkämpfen und bei allen Kontrollen und Operationen in die Klinik begleiten, ist weiterhin unsere Aufgabe. Selbstverständlich sollen Wir! dann wieder um Freistellung von der Arbeit bitten. Wenn Wir! nicht ohnehin zu kaputt sind, nach jahrzehntelanger Pflege, um in den gelernten Job zurück zu kehren.

Die 10-Tage-Pflegezeit sind ebenfalls ein schlechter Witz, das reicht bei chronisch kranken oder mehrfach behinderten Hinten und Vorne nicht ansatzweise aus, um die Versorgung zu begleiten bzw. zu gewährleisten. Zumal dieser „Pflegekurzurlaub“ unbezahlt ist in der Regel.

Wäre kein Problem, wenn für diese Zeit auch die Miete flach fällt, der Wocheneinkauf ist für umme ist und der Tankwart uns gratis voll tanken lässt machen, damit wir zu unseren Arztterminen kommen….Ja, man wird sarkastisch und frustriert, schlimmstenfalls verbittert oder depressiv durch die Hürdenläufe der Dauerpflege. Aber es reicht!

„WIR LASSEN ES NICHT MEHR ZU!“, schreit Arnold Schnittger empört und viele pflegende Angehörige empören sich mit. Wollen nicht mehr stillschweigend als Popo Putzer ohne Stimme gesehen und wie Arbeiter*innen dritter Klasse behandelt werden.

WIR! leisten so viel jeden Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Arnold pflegt seinen schwer behinderten Sohn Nico seit über 17 Jahren. Viele von uns werden nie wieder frei und selbstbestimmt leben können. Wir! verfallen aber nicht mehr kollektiv in Depression, sondern begehren auf! 》Die Pflegerebellen《 haben sich erfolgreich gegründet und außer auf den diversen Onlineplattformen werden wir bald auch in deutschen, vielleicht auch in österreichischen und schweizer Städten zu sehen sein.

Wir haben es satt!

Eine zornige Rolle des Klopapier, als Symbol für das was – neben der unsäglichen bürokratischen Papierstapel für Anträge, Gutachten und Widersprüche – unser Leben dominiert, ist das Logo dieser Bewegung geworden.

Und Wir! werden nicht leise werden, ehe auch die unwürdigen Umstände für pflegende Angehörigen und Menschen mit Behinderung sowie chronischer Erkrankung sich maßgeblich verändert haben!

Die erste große Pflegerebellen Demonstration wird heute in einem Monat am 13. August 2019 in Berlin vor dem Gesundheitsministerium stattfinden sowie in Dülmen in NRW und sich hoffentlich in vielen weiteren Städten fortsetzen.

Natürlich ist es nicht einfach neben der Pflege zu revoltieren, aber es gibt viele Wege friedlich und kreativ sich einzubringen.

Zeigt euren Unmut! Macht mit begehrt auf! Schließt euch an. Hebt eure Hände, denn:

Ohne Angehörigen- keine Pflege!

Mehr Informationen zu den Pflegerebellen und der Demo am 13.08.2019 und weiteren zukünftigen bundesweiten Aktionen in der öffentlichen Facebookgruppe: Die Pflegerebellen

Wendet euch bei Fragen direkt per Nachricht an Arnold Schnittger via Facebook oder an: info@nicosfarm.de

VERANSTALTUNGSHINWEISE:

Kreative DEMO im Südwesten – Stellvertreter-Pflegeprotest in Heilbronn (BW): Am Samstag, 05.10.2019 sind von 10.30- 12.30Uhr alle die Pflege leisten oder selbst Unterstützung im Alltag benötigen eingeladen zum Kiliansplatz zu kommen. Pflegende Angehörige die nicht können aufgrund ihrer Pflegeverpflichtungen – schickt bitte eure Erfahrungsberichte und Forderungen – gerne zusammen mit ausgedienten Hilfsmitteln oder Schuhen (werden danach entsorgt und gespendet) als eure Stellvertretern an die organisierenden Vereine: Hölder – Initiative für Kultur und Inklusion e.V. , Rieslingstr. 35, 74226 Nordheim email : Hoelder.Initiative@gmail.com ODER Solidaria e.V. , Wilhelmstraße 53, 74070 Heilbronn.

• Der Pflegerebellen- Gründer Arnold Schnittger kommt in den Südwesten im Herbst zu zwei Lesungen zu deinem Buch „Ich berühr den Himmel. Im Rollstuhl durch Deutschland“ über seine Protestwanderung zusammen mit seinem schwer behinderten Sohn Nico.

Am Freitag, den 18.10.19 ist er zu Gast im Café Lichtburg in Lauffen a.N. organisiert von der „Hölder – Initiative für Kultur und Inklusion e.V. “ und Solidaria e.V. – mit Unterstützung von Anzetteln e.V. (Mobile Rampe für Eingangsstufen vorhanden)

Am Samstag, den 19.10.2019 ist er anschließend auf Einladung von Rückenwind e.V. unddem Manufakturenmarkt in Kernen-Stetten im Sommersaal der Diakonie (Barrierefrei).

Beginn jeweils: 19.00Uhr

Der Eintritt bei beiden Lesungen ist frei – Spenden erwünscht.

BeitragsBeitragsbild (c) Natacha Vanhoof

Reihe 》Wir brennen aus!《 Pflegende Eltern berichten I. Andrea, alleinerziehend

Es bleibt politisch in der Anderswelt! Ich bin froh darüber, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, einen Appell für das Magazin des Bundesverband Kinderhospiz zu verfassen in dem ich die Situation von uns pflegenden Eltern von schwer kranken und behinderten Kindern aus unserer Perspektive darstellen darf. Im Vordergrund stehen unsere unnötigen Kämpfe, die uns neben dem Pflegealltag und den mit der Behinderung oder Erkrankungen verbundenen Ängste, wohl am stärksten belasten.

Außerdem folge ich dem Aufruf der Carearbeit-Aktivistin Claire Funke. Ihr habe ich ebenfalls einen „Brandbrief pflegender Eltern“ geschickt, den sie demnächst zusammen mit ihrer erfolgreichen Petition für ein Fürsorgegehalt der Familienministerin Giffey übereichreichen wird. Da es mir wichtig ist möglichst viele Beispiele aufzuzeigen und will ich über mehr als unsere eigenen Erfahrungen berichten.

Deshalb rief ich via Facebook und weitere Kanäle auf mir von euren alltäglichen Schwierigkeiten als pflegende Mütter und Väter zu berichten, um öffentlich zu machen was uns die meiste Kraft kostet. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir endlich sichtbar zu werden als eine große Untergruppe pflegender Angehöriger,  die medial, gesellschaftlich und politisch meist unberücksichtigt bleibt. Viele haben sich gemeldet und einige werde ich hier als Gastbeiträge veröffentlichten.

Hier der erste Gastbeitrag:

Von Andrea* (41) aus Berlin und dem Pflegealltag als Alleinerziehende mit ihrem 8jähriger Sohn mit ICP.

(Ihre Nachricht hat mich sehr aufgewühlt, da es noch einmal ein ganz anderes Kaliber an Verantwortung und Belastung darstellt , wenn man als Mutter allein in ist und auch finanziell in ein „enges Korsett“ gezwängt wird.)

Lest selbst was sie zu sagen hat:

Ich versuche mal in einem kurzen Abriss zu beschreiben, was mich in meinem Leben als Alleinerziehende mit einem körperlich stark beeinträchtigten Kind so bewegt:


Mein Sohn ist 8 Jahre alt, hat eine Infantile Zerebralparese (ICP), aufgrund eines Sauerstoffmangels unter der Geburt. Er kann wenig, für ihn, in seinem Alter sinnvolles, alleine bewältigen. Er kann sehr langsam krabbeln, kann gestützt laufen und stehen. Alle seine Gliedmaßen sind betroffen, so dass er große Koordinationsschwierigkeiten mit den Armen und Händen hat, er muss gefüttert, auf Toilette gesetzt werden, braucht Hilfe beim Spielen etc. Also bei allen Verrichtungen. Da er kognitiv altersentsprechend entwickelt ist, möchte er wie Gleichaltrige am Leben teilhaben. Aufgrund seiner sehr undeutlichen und verlangsamten Sprache benötigt er immer einen ihm bekannten „Übersetzer“ um mit Aussenstehenden zu kommunizieren. Er nutzt einen Talker, das ist aber im Alltag noch langsamer (durch die verringerte Hand-Koordination) als das Sprechen.

Es gibt mehrere Bereiche die mich immer wieder auszehren:
1. Vereinbarkeit mit dem Beruf und die damit zusammenhängende  finanzielle Not
2.    Alles rum um Hilfsmittel und             Therapien
3.    Fehlende Hilfe im Alltag
4.    Allgemeine Einschränkungen          und Teilhabe („Inklusion“)

Zu 1.: Beruf/ Armut**
Ich habe in den letzten Jahren ein maximales Pensum von 16Std./Woche für mich herausgefunden.  Ich arbeite also weniger als Halbtags und bin daher noch auf Hartz IV Leistungen angewiesen. Dementsprechend sind die Finanzen immer knapp. Ich muss ein Zimmer in meiner Wohnung untervermieten, da die Miete sonst zu teuer ist. Eigentlich bräuchte ich den Platz aber, da mein Sohn viele große Hilfsmittel im Alltag benötigt. Wenn im Alltag alles gut läuft, es nur die regulären Termine gibt und mein Sohn gesund ist, schaffe ich mit den 16Std. Arbeit mein Leben ganz gut, Freizeit habe ich dann aber auch nicht. Wenn es nicht so gut läuft, wir mehrere wichtige Arzt-Termine haben oder mein Sohn krank ist, dann befinde ich mich in einem Dauer-Stress-Zustand. Ich renne dann nur noch den wichtigen Dingen hinterher.
Unnötige Dinge die ich hier machen muss: alle halbe Jahre die Weiterbewilligung von Hartz IV beantragen, zwischen drin immer wieder nachweise liefern, insbesondere, wenn ich durch Kind krank Tage weniger Gehalt und Krankenkassen-Zahlungen erhalten habe.
Ich wünsche mir hier wenigstens einen finanziellen Rahmen, der mir auch mal ermöglicht z.B. Erholungs-Urlaub zu machen, Betreuung zu zahlen oder mir ab und zu im Alltag eine Erholungs-Pause zu gönnen.


Zu 2.: Hilfsmittel /Therapien **
Häufig dauert es Monatelang bis wir z.B. den dringend benötigten Rollstuhl bekommen, da erst eine Verordnung beim SPZ angefordert werden muss, diese dann zum Hilfsmittelversorger geht, dieser das bei der Krankenkasse beantragen muss, diese hat mehrere Wochen Zeit zur Bewilligung und dann muss das Hilfsmittel bestellt und mehrfach angepasst werden. Die vielen Telefonate und Termine die damit verbunden sind, kann man sich vielleicht vorstellen. Zudem muss ich mich regelmäßig mit Therapeuten abstimmen um eine ganzheitliche Förderung zu gewährleisten.
Unnötige Dinge, die hiermit zusammenhängen: Ich muss jedes Quartal, also 4 mal im Jahr, persönlich (mit KK-Karte) zum Kinderarzt meines Sohnes um die Überweisung zum SPZ ab zu holen. Diese geht dann ans SPZ, damit ich von dort wiederum die Rezepte und Verordnungen für die Therapien und Hilfsmittel bekomme. Alle 10 Wochen müssen neue Verordnungen für die Therapien ausgestellt werden. Mein Sohn wird sein Leben lang behindert sein, auch so stark, dass eine Versorgung mit Therapien und Hilfsmitteln immer notwendig sein wird. Ich verstehe nicht, warum in diesen Fällen, nicht eine Regelung eingeführt werden kann, die ALLEN Beteiligten die Bürokratie vereinfacht. Z.B. SPZ-Überweisungen nur alle 2 Jahre ein zu holen, die Therapie-Verordnungen auf 1-2 Jahre aus zu stellen etc. Mein Sohn bekommt seit seiner Geburt Therapien, also seit 8 Jahren! Daher sind diese Zwischenschritte für mich so sinnlos und kosten Zeit, die ich lieber für meinen Sohn und meine Arbeit hätte (oder auch mal für Freizeit!)


Zu 3.: Fehlende Unterstützung**
Ich nutze Verhinderungspflege und auch die zusätzlichen Betreuungsleistungen, doch häufig reicht das nicht aus. Dadurch, dass mein Sohn regelmäßig mehr als die 20 Tage im Jahr krank ist, muss ich den Rest der Krank-Tage mit meinem Job irgendwie anders vereinbaren, dann meist über die Verhinderungspflege.
Hier würde ich mir wünschen, dass es bei chronisch kranken oder behinderten Kindern eine Anpassung der gesetzlichen Kranktage auf z.B. 30 Tage gibt. Zudem wünsche ich mir viel mehr Hilfe im Alltag. Mit den Zusätzlichen Betreuungsleistungen kann ich mir einmal im Monat für 3-4 Stunden eine Putzkraft leisten. Jedoch fällt, durch das vermehrte Speicheln und da meinem Sohn beim Essen viel aus dem Mund fällt, viel Wäsche pro Tag an. Auch der Haushalt muss gemacht werden. Mein Kind kann und wird mir nie helfen können.


Ich würde mir viel mehr Hilfe im Alltag wünschen um auch mal mehr Qualitätszeit mit meinem Sohn verbringen zu können. Nicht nur einen Babysitter oder eine Haushaltshilfe würde unseren Alltag erleichtern, auch jemand der mir ab und zu das körperlich schwere Handling meines Sohnes abnimmt, während ich aber für und mit meinem Sohn bin. Er ist mit 17 Kg, für sein Alter noch sehr leicht, jedoch muss ich ihn den ganzen Tag über heben, hin setzen, aufsetzen, mit ihm laufen, seine Hände führen, ihn füttern, ihn anziehen, ihn in den Rollstuhl setzen, die Orthesen anziehen etc.

Zudem hieve ich seinen Rollstuhl 2-6mal am Tag aus bzw. ins Auto. Wenn ich mit ihm rausgehe, muss ich immer viele Lätzchen und kleinere Hilfsmittel mitführen.
Konkret wäre eine große Erleichterung, wenn ich 1-2mal/Woche eine Haushaltshilfe hätte und das Budget der Verhinderungspflege aufgestockt werden würde (und das mehr als mit der Hälfte der Kurzzeitpflege).


Zu 4.: Teilhabe /Inklusion /Schule**
Da ich mit meinem Sohn für alles mindestens doppelt so viel Zeit benötige, da ich alles für zwei Personen mache und auch noch Hilfsmittel, Termine etc. dazu kommen, ist unsere Teilhabe am „normalen“ gesellschaftlichen Leben sowieso schon eingeschränkt. Zudem ist auch die immer noch sehr häufig fehlende Barrierefreiheit eine große Hürde im Alltag. Noch kann ich meinen Sohn im Rollstuhl mal 1-2 Stufen hochfahren, irgendwann geht das nicht mehr. Schon gar nicht mehr wenn er mal einen elektrischen Rollstuhl nutzen wird. In viele Veranstaltungen für Kinder (oder Familien) kommen wir nicht rein. Es wird immer schwerer, meinem Sohn zu erklären, warum er irgendwo nicht hin kann, wo andere Kinder hin gehen. Irgendwie versuche ich es immer noch möglich zu machen, mit starker körperlicher Anstrengung, doch irgendwann wird auch das nicht mehr gehen. Nicht seine Behinderung ist dann für mich schwierig, sondern zu sehen, dass er in seiner Teilhabe eingeschränkt wird, aufgrund fehlender Barrierefreiheit, das bricht mir das Herz!
Hier wünsche ich mir noch viel viel härtere Gesetze um Unternehmen, Betriebe etc. zur Barrierefreiheit zu verpflichten!


Und: Es gibt im Freizeitbereich kaum Angebote die mein Sohn nutzen kann. Hier wünsche ich mir Unterstützung anhand von finanziellen Zuschüssen für Träger oder soziale Unternehmen, denn ich glaube da gibt es viele die hier gerne Angebote machen würden. Jedoch müssen hier sowohl die Infrastrukturellen, als auch inhaltlichen und pädagogischen, fachlichen Strukturen unterstützt werden, denn häufig sind die Bedarfe der Kinder mit Beeinträchtigung höher, als die nicht beeinträchtigter Kinder.


In Bezug auf Schule könnte ich jetzt ein Buch schreiben! Aber ich schreibe nur so viel dazu: Ich habe in den letzten 3 Jahren ca. 40 (Regel)Schulen entweder persönlich angeschaut oder angerufen. Ca. 30 dieser Schulen haben auf ihrer Internetseite ganz groß Inklusion stehen, doch nur 2 davon sind für Rollstuhlfahrer zugänglich! Hier muss zum einen eine klare Transparenz bestehen, welche Kinder aufgenommen werden können und welche nicht, und wenn es hier Einschränkungen gibt, darf der Begriff Inklusion, meines Erachtens nach, von der jeweiligen Schule nicht verwendet werde.

 

Zudem, weiß ich, dass sich viele Schulen seit Jahren vergeblich bemühen Aufzüge für ihre Schulen genehmigt zu bekommen und die zuständigen Ämter hier nicht handeln oder sich hinter baurechtlichen Gesetzen verkriechen.
Ich möchte sehr gerne wissen ob die Gerüchte stimmen, dass in Berlin tatsächlich 65 neue Schulen gebaut werden, die NICHT alle barrierefrei gebaut werden. Ich werde dem nachgehen….

 

Meines Erachtens nach sind wir 9 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention noch viel schlechter dran als vorher. Durch die schlechte Umsetzung der Inklusion an Schulen und die weitere Ausgrenzung aufgrund von feghlender Barrierfreiheit, werden weiterhin Kinder sehr distanziert mit meinem Sohn umgehen, da sie einfach keine behinderten Menschen in ihrer Umgebung kennen.


(…)Ich habe jetzt nur schnell was runter geschrieben, da fehlt natürlich noch eine riesige Menge, aber dafür fehlt mir die Zeit. Und ich hoffe es schreiben noch einige, so dass „unsere“ Themen alle auf den Tisch kommen.
Herzlichen Dank dafür!

Liebe Grüße von Andrea*

aus Berlin

 

P.S. noch eine Sache die ich extrem wichtig finde: Wartezeiten bei Ärzten! Da wir in unserem Alltag sowieso viel mehr Zeit benötigen, als die „Regel“-Familie, fänd ich es extrem sinnvoll und eine große Entlastung, wenn Wartezeiten bei Ärzten für mich und meinen Sohn verkürzt werden könnten.

Wir haben zum Glück eine Kinderärztin die sie bereits berücksichtigt, bei allen anderen Ärzten müssen wir aber genau so lange warten wie alle anderen auch. Ich gehe praktisch nie zum Arzt, auch nicht wenn ich krank bin, da ich dafür einfach keine Zeit habe. Würde es z.B. einen bestimmten Chip geben oder auf der Krankenkasse vermerkt werden, dass wir eine erhöht belastete Familie sind, dann könnte man ein System einführen, dass wir kürzer warten müssen.

Klar kommen dann wieder alle mit Gleichberechtigung. Aber Gleichberechtigung ist eben nicht immer auch Gerechtigkeit!!

 

*Name anonymisiert

** Schlagwörter ergänzt

Mehr Entlastung für pflegende Eltern – mein Leserbrief an die StZ

In der Stuttgarter Zeitung stand (StZ) an Silvester ein Bericht zu der fehlenden Entlastung pflegender Angehöriger und der P17 Petition.

Mich hat es in den Fingern gejuckt und ich habe diesen Leserbrief am Neujahrstag geschrieben, der nun am 11.01.2019 in der StZ erschienen ist.

Ich hoffe er hilft etwas beim sichtbar werden von uns pflegenden Eltern und dabei, dass wir mehr Aufmerksamkeit  bekommen, um langfristig eine Verbesserung unserer Situation zu erwirken.

Traut euch Stellung zu beziehen! Wenn auch ihr Leserbriefe und ähnliche Aufrufe verfasst habt – schickt sie mir, ich veröffentliche sie gerne!

Sehr geehrte Redaktion der StZ,
sehr geehrter Herr Reiners,

Ich bedanke mich, dass Sie zum Jahreswechsel auf die katastrophale Situation, der pflegende Angehörige ausgesetzt sind, aufmerksam gemacht haben.
Ihr Bericht trifft ins Schwarze und übersieht doch, dass es noch schlimmere Missstände gibt.
Denn einige Untergruppen der pflegenden Angehörigen werden  sowohl von der Gesetzgebung, als auch medial kontinuierlich übergangen.
Ich bin selbst pflegende Mutter eines chronisch kranken bzw. schwer mehr behinderten kleinen Sohns. Die P17 Petition habe ich selbst verständlich unterschrieben. Auch wir haben jahrelang nach Entlastung gesucht, doch die großen Anbieter dieser Leistungen sind meist ausgebucht zudem überfordert von einem pflegebedürftigen Kind wie unserem derzeit Dialyse pflichtigen Kleinkind das über Sonde ernährt wird und viele Medikamente benötigt.
Wir hatte kurzzeitig eine Hilfe über einen kirchlichen Anbieter, doch sie halfen ausschließlich stundenweise im Haushalt, unseren Sohn zu betreuen, dazu hatten sie, laut ihrer Aussage, kein Personal. Abgesehen davon, dass dieser Dienstleister horrende Summen verlangte (ca. 20€ pro Viertelstunde!!! Also 80€ /h), so dass es nur für eine sehr kurze und seltene Putzhilfe ca. 1x Monat gereicht hat – was bei wechselndem älteren Reinigungskräften und angesichts unserer ohne sehr belasteten Situation nicht wirklich zu Entlastung führte…)
Es kommt hinzu, dass diese zusätzlichen Entlastungsleistungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Denn wir Eltern von schwer kranken oder behinderter Kinder müssen – meist sogar mit Anwalt – um die medizinisch-pflegerische Versorgung unserer Kinder kämpfen.
Hilfsmittel werden nicht übernommen oder nur im langwierigen Widerspruchsverfahren, Therapien werden angezweifelt und Zuzahlungen gefordert, Unterlagen der Kranken- und Pflegekasse zum Teil „zufällig“ verloren… doch am Schlimmsten ist: Rezeptierte Behandlungspflege und Intensivpflege wird von den Krankenkassen meist nur befristet gewährt und oft ohne Vorwarnung komplett gestrichen. (So auch bei uns als wir aufgrund der verschlechtertem Zustand unseres 4 jährigen Sohnes, neben einer Tetra-Cerebralparese, epileptischen Anfällen, chronischer Niereninsuffizienz und massivem sekundärer arterieller Hypertonie hat er nächtliche Schmerzzustände mit Schreiattacken und Atemaussetzern, um die Erhöhung gerade Stundenzahl der Intensivpflege baten, wurde diese zunächst komplett gestrichen inzwischen durch massiven Druck und viele ärztlich Gutachten verlängert und erhöht aber wieder befristet bis Frühjahr 2019!)
Hinzu kommt, dass viele ambulante Kinderpflegedienste massiv unterbesetzt sind. Doch dazu muss die medizinische Pflege erst gewährt werden! Besonders hart trifft das uns Familien, die wir gerade wegen der krankheitsbedingten Situation immer im Ausnahmezustand leben zwischen Arzttermine, Reha und Klinikaufenthalten. Besonders unglaublich ist die unmenschliche Streichpolitik, die auch bei lebenslimitierend erkrankten Kindern leider Gang und Gäbe ist. Dabei werden Aussagen getroffen wie: „Sie hat zu wenig Anfälle“ „Er wird ohnehin nicht alt“ das ist mehr als menschenverachtend und wider alle Würde. Der Öffentlichkeit sind diese eklatanten Missstände leider so gut wie unbekannt und die Familien kämpfen meist allein und im Verborgenen aus Sorge weiter unter Druck zu geraten.
Durch meine Socialmedia Seite Anderswelt und meinen Blog https://sophiesanderswelt.wordpress.com bin ich im Austausch zu mehreren betroffenen Familien und kann gerne einen Kontakt herstellen.

Freundliche Grüße
Verena Sophie *
P. S. Wir bekommen inzwischen Entlastungsleistungen über den jungen gemeinnützigen Verein Solidaria e. V., der sich auf Familien mit behinderten Kindern spezialisiert hat.
Die erste Vorsitzende* wird ihnen gerne über ihre ehrenamtliche Arbeit berichten www.solidaria-ev.de kontakt@solidaria-ev.de

(Der Leserbrief wurde geringfügig abgeändert, u.a. *Nachname gestrichen)

Im Labyrinth der surrealen Dejavues. Endlose Gefechte im Verborgenen.

Seit einigen Wochen dauert sie schon wieder diese Phase, in der ich völlig rotiere, weil fast alles schief geht und ich gegen Mauern laufe. Dann kommen diese großen Wellen. Immer, wenn ich zum Luft schnappen den Kopf über Wasser bekomme, bricht die nächste auf mich ein, meist ohne Vorwarnung. Das ist einer der wiederkehrenden Alpträume, die mich in solchen Zeiten heimsuchen.

Kennt ihr das Gefühl, dass ihr euch fragt wer gerade eigentlich verrückter ist – ihr selbst oder die Welt die euch umgibt? TV oder Zeitung tragen auch nicht gerade zur Ablenkung oder Beruhigung bei mit all dem Terror, bekloppten, despotischen Staatsoberhäuptern und Horrormeldungen von neu erstarkten menschenfeindlichen Rechten im eigenen Land – wenn mein Alltag als pflegende Mutter, oder momentan eher Case Managerin, mich langsam um den Verstand bringt.

Ich habe Déjà Vues und ärgere mich, dass ich mich überhaupt verärgern lasse von all den Abstrusitäten, die uns als Eltern eines schwer behinderten Kindes begegnen.

Wo soll ich anfangen?

Wie jedes Jahr setzt mir die Herbstzeit besonders zu. Die Erinnerungen an die letzten unbeschwerten Wochen meiner Schwangerschaft mit dem Räubersohn, der letzte Urlaub mit Kugelbauch in der Normandie und Familienfeiern im September 2014, flackern auf: Eine liebe Verwandte von uns, die selbst eine Beeinträchtigung hat, feierte damals einen runden Geburtstag. Eine ihrer Schulfreundinnen ebenfalls mit Handicap, die bei dem Fest dabei war, hatte sichtlich Interesse an meinem Babybauch, der ein Monat vor dem Geburtstermin nicht zu übersehen war. Die junge Frau fragte mich nach dem Geschlecht und dann aus dem Blauen heraus: “Und was machst du, wenn es behindert ist?“ Ich weiß noch wie schluckte, welche Hochschwangere würde da eine Antwort parat haben? Und dann sagte ich “Ich würde das Kind natürlich trotzdem lieben.” Und ich ergänzte – war es auch mehr zur ihrer oder meiner Beruhigung – “Aber er ist ja quietschfidel und alle Untersuchungen waren gut.” Nun, es war dann eben nicht alles gut. Und sollte es auch nicht mehr werden. Diese Gedanken gehen mir gerade nicht mehr aus dem Kopf, wie fiese kleine Schadensgeister kreuchen sie durch meine Hirnwindungen und plagen mich. Nicht zuletzt, weil unsere Gute gerade auch ein paar kritische Op’s hatte. Sie, die einst auch als Intensivkind gestartet war, hat sich dafür so prächtig entwickelt. Doch ihre Mutter “darf” auch heute noch alles für sie regeln, um jede Selbstverständlichkeit kämpfen. Obwohl sie längst volljährig ist, kann sie aufgrund ihrer Behinderung eben nie vollkommen selbstständig agieren. Das heißt, man kann es nicht beschönigen, ewige Gebundenheit als Eltern eines Kindes mit Beeinträchtigtungen – man wird nie wieder frei sein. Und sie ist ja noch verhältnismäßig “fit”. Unser Räubersohn spricht ja nicht und kann sich auch um keine seine Grundbedürfnisse kümmern. Mich schaudert es. Dazu kommt, dass wir diesen Monat noch den Termin bei der Ärztekammer haben, die prüft, ob vor vier Jahren ein Ärztefehler vorlag, bei diesen schicksalhaften Stunden, die eigentlich mehr ein Unfall waren, als der Beginn eines neuen Lebens. Nur um Haaresbreite hat unser Liebling das beginnende Multiorganversagen überlebt, das von den Ärzten nicht rechtzeitig erkannt wurde. Nach eine nahezu komplikationsfreien Schwangerschaft, wie aus dem Mutterpass hervorgeht, aber auch auf allen Bildern zu sehen ist. Meine Güte war ich glücklich und am Strahlen, so voll Vorfreude, so ahnungslos. Ich vermisse mein altes optimistisches, zuversichtlicher Ich, von dem ich einiges eingebüßt habe…etwas in mir ist unwiderruflich zerbrochen.

Es ist nicht die Pflege selbst, es ist diese Unfreiheit und Fremdbestimmung, diese unfreiwilligen Gefechte zu denen man als pflegende Eltern dauerhaft gezwungen wird  – das zehrt mich und unzählige andere pflegende Angehörige auf. Es ist wie bei dem Brettspiel „Das verrückte Labyrinth“ – die Wege werden blockiert und verschoben, neue Monster tauchen unerwartet auf – nur, dass die Schätze fehlen…Abgesehen von unseren besonderen Lieblingen.

Die Intensivpflege beispielsweise, um die wir gekämpft haben, können wir jetzt kaum nutzen, da dem Pflegedienst weiterhin Personal fehlt an allen Ecken und Enden. Nach einen anderen, der Kapazität hat oder kooperationsbereit ist, „fahnden“ wir seit längerem. Obwohl beides zum Greifen nahe schien, verpuffte diese Chance über Sommer. Hatten uns bei zwei Pflegedienste noch Mitarbeiter Hoffnung gemacht relativierte es kurz Zeit darauf ein anderer. Ab und an haben wir ein bis zwei Nächte mehr eine Kinderkrankenpflegerin im Haus. Immerhin – aber dafür der ganze Ärger?

Über die Ferien hatten wir tolle Unterstützung durch den Verein  Solidaria e.V. bekommen, der Entlastungsleistungen für Familien mit behinderten Kindern anbietet. Und durch das neue Pflegestärkungsgesetz war es uns endlich möglich im Rahmen der Übergangsregelung nicht verbrauchte Gelder zu nutzen. Das wurde uns von der Pflegekasse auch so erläutert und bewilligt – nur jetzt die Beihilfe des Landes einen Strich durch die Rechnung und das wo wir schon in Vorleistung gegangen sind. Wir waren so froh liebe Betreuungskräfte gefunden zu haben, die uns in den Wochen, in denen wir nur maximal ein bis zwei mal einen Vormittag den Pflegedienst da hatten, unter die Arme griffen. Und jetzt mehr Belastung als Entlastung da die Landesbehörde sich raus nimmt das Bundesgesetz zu ignorieren. (Sie haben dafür jetzt einen anderen Vorschlag wie wir die Entlastungsleistungen evtl. doch noch erstattet bekommen können, ob das wirklich funktioniert wird sich zeigen.)

Da willst du nur noch schreien. Die Zeit, die man braucht um sich mit so einem Rechtskram auseinanderzusetzen würde ich tausendfach besser nutzen können, gerade mit zwei kleinen Kindern. So brauche ich wieder die Großeltern um mich mit derartigem unnötigem Sch*** rumzuärgern. Es ist so überflüssig, ich bin dem so überdrüssig.

Auch die anderen Dinge sind von der Sorte “Grüßendes Murmeltier “:

Neue Methoden zur UK, die wieder einmal ins Leere laufen, Hilfsmittel die nicht richtig oder gar nicht angepasst werden, Fachärzte, die zu keiner Lösung eines medizinischen Problems beitragen aber “sicherheitshalber” einem Angst machen und unsere über Monate gereifte Entscheidung zu einem ambulanten Eingriff in Frage stellen. Beim Eingriff selbst gab es dann self fulfilling prophecy-like natürlich tatsächlich ein paar Schwierigkeiten. Und der Schreck sitzt wieder tief.

Keiner trägt die Verantwortung mit, aber jeder haut nochmal ein Päckchen oben drauf. Und dann die Gewissheit, dass es so bleiben wird. Das diese vielen Operationen und Klinikaufenthalte, die wir in den letzten 12 Monaten mit dem kleinen König durchstehen mussten leider keine Ausnahme bleiben werden. Auch etwas das Außenstehende nicht verstehen. Nur weil man ein Hilfsmittel für bzw. gegen eine Problematik bekommt, ist es bei chronischen Erkrankungen oder Behinderungen damit nicht getan. Selbst nach Op’s ist es nicht behoben, sondern nur eine Frage der Zeit, wann den Kleinen  eine Wiederholung und damit ein weiterer Eingriff bevorsteht oder der nächste Schritt gegangen werden muss.

Und das alles nicht unbedingt für Fortschritte,  sondern eher um das zu erhalten was da ist oder Schmerzen zu mindern.

Das ist nicht zu ändern, das ist so zermürbend.

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Weil es nicht nur uns sondern unzähligen pflegenden Angehörigen so geht, dass sie dringend professionelle Unterstützung und unbürokratische Hilfe benötigen, unterstützen wir die P17 Petition zu Entlastungsleistungen: https://entlastungsbudget.de/p17-kampagnen/ 

Unterschreibt jetzt in eurem Bundesland! Gerade wir Eltern pflegebedürftiger Kindern kümmern uns meist Jahrzehnte um unsere Schätze bis wir selbst krank werden. Das muss sich ändern.

Paradoxe Verschlimmbesserungen – Alltägliche Hürdenläufe, wenn Rettungsleinen zu Fallschlingen werden.

Mit Mühe und Not schaffe ich es noch einen Blogbeitrag im Monat zu verfassen. Das Schreiben, das mir sonst so einfach von der Hand geht, stockt und ist zäh. Ich muss mir jeden Satz abringen. Denn das klare Denken fällt mir immer wieder schwer, ein Orkan tobt in meinem Kopf.  Seit Monaten rappel ich mich immer wieder auf. Aber es ist einfach kaum noch Kraft da. Wie gegen Stürme kämpfen, wenn man sich kaum auf den Füßen halten kann. Es ist so aufreibend, dass immer wieder meine Unterstützungssysteme weg brechen während neue Hürden auftauchen. Das ganze letzte Jahr versuchte ich unsere Pflegesituation zu verbessern, eine oder zwei neue Pflegekräfte zu finden, die uns entlasten. Zwischendurch sah es so aus als wären wir fündig geworden, doch dann ging die nächste Fachkraft und eine andere entschied sich um. Die Lücken im Pflegeplan sind nicht weg zu bekommen.  Und auch im Kindergarten tut sich nichts. Kompromissbereitschaft Fehlanzeige, „Gesetz ist Gesetz“ bekomme ich zu hören. Meine Petition? Davon profitieren im Idealfall zumindest ein paar andere Kinder, nächstes Jahr. Ich fühl mich so müde, einsam und im Stich gelassen.

Die durchwachten Nächte fordern ihren Tribut. Die drei Klinikaufenthalte dieses Frühjahr von Räubersohn und Mapa haben auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen, zu mal soviel schief lief. Beim zweiten Versuch der Peg Anlage wurde auch noch die Speiseröhre verletzt. Eine große Narbe war die Konsequenz und ein dicker Schlauch, der über viele Tage tief im Schlund des kleinen Mannes steckte. Das weckte ungute Erinnerungen an die erste Zeit und fühlte sich für den Junior sicher nicht gerade angenehm an. Er durfte nichts über den Mund essen und wir mühen uns jetzt Wochen später immer noch ihn wieder an normale Kost zu gewöhnen. Zu allem Übel wurden auch noch Medikamente falsch dosiert und das Antibiotika legte seine Verdauung flach. Die auslaufenden Windeln mit daraus resultierenden Wäschebergen, Verbandswechsel unter Weinen und ein erschöpftes Kind setzen mir ganz schön zu.

Wir versuchen ja schon länger mehr Pflegestunden vor allem auch Nachtdienste zu bekommen. Und unsere Krankenkasse nahm unseren Hilfeschrei jetzt zum Anlass mal grundsätzlich vom MDK ( bzw. dem für privat Versicherte beauftragte medi- Prüfunternehmen) kontrollieren zu lassen, ob der kleine König überhaupt Intensivpflege benötigt. Es ist unvorstellbar. Das beklemmt mich unglaublich und alte Angsträume tauchen wieder auf. Wassermassen wollen mich wegspülen. Es ist einfach zu deprimierend, wenn man nach einer Rettungsleine ruft und Fallschlingen folgen.

Die kleine Miss derweil ist zu unser großen Freude mobil geworden, sie zieht sich hoch und räubert herum. Ich muss hinter her. Der kleine große Bruder kann wieder kaum regulär in Kindergarten, weil zu wenig Personal da ist und er ohne Krankenschwestern ja nicht kommen darf in die Fördereinrichtung. Bald sind eh wieder Ferien und der Schulkiga bleibt dann sowieso zu. Ende des Monats ist schließlich die seit langem geplante Myofasziotomie gegen die Spastikkontrakturen und Schmerzen mit anschließender Aufbau-Reha in dem spezialisierten Zentrum im Ausland, das die Kasse natürlich auch wieder nicht erstatten will. Parallel gibt es Ärger wegen des Stundenlohns des PD, diverse medizinische Geräte, die bewilligt werden müssen und die Kasse mit dem großen D herunter handelt oder die falsch geliefert werden. Daneben Hilfsmittel, die einer Anpassung bedürfen, die natürlich auch mehre Anläufe benötigten bis es passt.

Dazwischen will der MDK dann ein weiteres Mal kommen, denn eventuell gab es ja eine Wunderheilung seit letztem Jahr und der Räubersohn kann urplötzlich laufen und greifen. Es ist alles so ein Irrsinn unnötige Lebenszeit und wichtige Energie die drauf gehen für all diese abstrusen Überprüfungen, Anträge und Widerspruchsverfahren.

Und eigentlich hatte ich da ja so ein Projekt, das mir ein Hoffnungsschimmer sein sollte, dass ich hier raus komme und in meinem goldenen Fürsorgekäfig nicht eingehe. Nur dafür fehlt mir, mit all diesem Irrsinn, Zeit und Kraft. Nur wenig kann ich mithelfen. Träume müssen mal wieder warten. Und dann sagen Bekannte ich soll mich auf Positives fokussieren. Hmmm genau. Mein lieber Mann versucht auch mitanzupacken mich aufzurichten, aber er hat ja ’nebenbei‘ auch noch eine Vollzeitstelle.

Wir schwimmen weiter, würden uns so gerne öfter treiben lassen. Der Stil ist Wurst, nur den Kopf oben halten ist die Devise.

Help I need somebody – Notstand in der ambulanten Kinderpflege und die Krux von der Entlastung.

Einen Angehörigen zu pflegen auf seine Bedürfnisse einzugehen, möglichst ohne ihn zu bevormunden, ist ein schwieriges Unterfangen. „Ich könnte das ja nicht!“, lautet eine der häufigsten Reaktionen von Außenstehenden. Natürlich wünscht sich wohl niemand die Situation über Jahre für das Wohlergehen eines Familienmitglieds verantwortlich zu sein. Nur mal ‚Butter bei die Fische‘  – es besteht schließlich nicht immer Wahlfreiheit! Zum einen ist es schwer einen geliebten Menschen in die Obhut von anderen zu geben. Oft kommt so eine Pflegesituation schließlich sehr abrupt und ohne Vorwarnung. Der Vater hat einen Schlaganfall, die Ehefrau eine Komplikation bei einer Op, das Kind einen Unfall oder schwere Krankheit. Und nichts ist wie zuvor.

Auch die betroffene Person hat bestimmt nicht davon geträumt pflegebedürftig zu werden und von jemand anderem gewaschen zu werden, nicht selbstständig essen zu können, Medikamente und Getränke eingeflößt oder Windeln angelegt zu bekommen. Aber wenn es die Krankheit oder Behinderung es nun mal erforderlich macht?

Zu andren besteht zwar die Möglichkeit professionelle Pflegekräfte in Anspruch zu nehmen- nur reicht das bei weitem nicht – gesetzten Fall man findet überhaupt einen Pflegedienst der Kapazitäten hat. Der aktuelle Pflegenotstand betrifft eben nicht nur die stationäre Situation in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, sondern auch ambulante Pflegedienste. Was gesellschaftlich einen blinden Fleck darstellt ist, dass neben älteren Menschen auch jüngere Schwerkranke sowie Kinder mit chronischen Krankheiten und Behinderung auf Pflege angewiesen sind. Sie werden in großer Mehrheit daheim pflegt – über 80. 000 Kinder – und Jugendliche unter 18Jahren sind das in der BRD – meist von Müttern! Auch hier fehlt es an Fachkräften, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Krankenpfleger, die sich um die kleinen Klienten zu Hause kümmern. Wie oft können Kinder nicht das Krankenhaus verlassen, da kein ambulanter Kinderintensivpflegedienst einen Platz für sie hat. So werden Eltern aus dem Beruf gedrängt, wenn sie die Pflege ihres Zöglings sicherstellen wollen.

Manche Pflegedienst sagen auch zu,  obwohl sie bereits über ihrem Belegungsmaximum sind, das heißt andere Familien bekommen noch mehr Lücken im Pflegeplan zu den sowie so schon bestehenden Ausfällen.

Auch uns betrifft das, wenn wir auch kein worst case Szenario haben, ist es sehr anstrengend und auslaugend. Wir sind oft auf uns allein gestellt. Ins Besondere nachts, wenn der Junior Schreiattacken hat oder in der Ferienzeit und das geht nicht spurlos an uns vorüber (wie ich schon im November 2017 berichtet habe). Natürlich benötigen alle Kleinkinder oder Babys etwa Pflege – wie auch der MDK nicht müde wird zu betonen – nur das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit und die sich nicht verändernde Situation ist ein gewaltiger Unterschied. Unser Sohn ist nun 3,5 Jahre er kann sich in keinster Weise selbst versorgen, aufgrund der Spastik ist es ihm nicht möglich die Hände zum Mund führen und somit auch nicht allein etwas zu sich zu nehmen. Weder sitzen, vorwärts bewegen  noch greifen gelingt ihm als ICP-Kind. Er wird von uns komplett versorgt wie ein Säugling in einem Alter in dem andere schon zum Kinder turnen gehen, es klafft immer weiter auseinander aber ohne Aussicht auf Verbesserung . Wir haben das ‚Glück‘, dass wir für ihn Behandlungs- und Intensivpflege auf Rezept bekommen haben. Ausgebildete Kinderkrankenschwester überwachen und versorgen unseren Räubersohn mehrere Stunden täglich (wenn keine von ihnen krank ist oder eines ihrer Kinder, ann springen meist die Großeltern ein). Unser Erstgeborener hat Epilepsie mit vielen kleinen Anfällen, seine Arme und Beine zittern und versteifen sich aufgrund der Myklonien und Spastiken. Außerdem übergibt er sich immer wieder wegen seiner Dysphagie und spricht nicht. Die Krankenpflegerinnen protokollieren seine Anfälle, messen Blutdruck, legen Hilfsmittel an, geben ihm Medikamente, auch für den Notfall. Sie gehen nach circa 4-6 Stunden, dann hat der Tag noch viele Stunden. Keine einzige vergeht, in der unser Sohn keine pflegerische Unterstützung benötigt. Das bisschen Pflegegeld ist hart verdient. Eine Bekannte von mir hat sich den ‚Spaß‘ gemacht und umgerechnet was sie als pflegende Mutter eines schwer Epilepsie kranken und global entwicklungsverzögerten Kindes auf die Stunde ‚verdient‘ es sind circa 1,40€ – nicht gerade Mindestlohn oder? Und so erfüllen sie auch nicht die Voraussetzungen für den vom Land geförderten Kredit für Barriere freies (Um)Bauen. Deshalb setze ich mich auf für ein faires Fürsorgegehalt ein!

Um so unglaublicher, dass viele Familien, mit mehrfach behinderten Kindern oder sogar Lebenszeit verkürzenden Krankheiten ihres Lieblings, keine Intensivpflege oder Behandlungspflege verordnet bekommen. Die Mehrzahl der Kids mit schweren Beeinträchtigungen haben auch massive Schlafstörungen. Über Jahre. Die Eltern gehen am Stock. Wenn sie überhaupt einen Pflegedienst finden, dann können sie ihr Pflegegeld teilweise oder ganz „eintauschen“ gegen Pflegesachleistungen. Nur ist die Situation in pflegenden Familien meist sowieso sehr belastet – psychisch und finanziell. (Was noch hinzukommt – leider ist bei jahrzehntelanger Angehörigenpflege die Altersarmut oft für vorprogrammiert – in großer Überzahl Frauen). Vieles muss erkämpft werden – wie Hilfsmittel, Therapien, die oft auch anteilig oder ganz selbst zu bezahlen sind.

Dass es eine Zuzahlungsbefreiung gibt (max. 1% bei chronisch Kranken vom Bruttofamiliengehalt abzüglich der Freibeträge), habe auch ich erst nach Jahren herausgefunden. Als pflegender Angehöriger muss man sich tief einarbeiten in die Materie – am besten Jura oder Soziale Arbeit studiert haben – und nur, weil es ein Recht gibt, heißt es noch lange nicht, dass man es gewährt bekommt oder anwenden kann. So beispielsweise die Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Sie könnten, wie der Name schon sagt, theoretisch dafür genutzt werden die pflegenden Angehörigen zu entlasten im Haushalt oder durch Betreuung der Pflegebedürftigen. Die monatlich 125€ standen früher nur den höheren Pflegestufen zu – nun seit Anfang 2017 bei jedem Pflegegrad von 1-5.  Dadurch ist die Nachfrage sehr angewachsen, oft haben die Anbieter wieder keine Kapazitäten mehr oder sie sind auf Senioren ausgerichtet. Das heißt jemand zum Blumen gießen oder mit Oma Tee trinken wird leicht gefunden – jemand, der auf ein schwer behindertes Kind aufpasst oder bereit wäre einmal die ganze Wohnung zu durchzuwischen schwer vor allem in ländlichen Gebieten. Aber für große Sprünge reicht das Geld auch nicht. Bekannte auch kirchliche Träger lassen sich eine Stunde über 40-50€ bezahlen. Und was hilft es, wenn EINMAL im Monat jemand für 2-3h kommt bitteschön? Was soll das für eine Entlastung sein? (Immerhin kann man die Sumne ansparen aber es verfällt auch in der Regel nach einem Jahr, gerade ist es möglich das Geld der letzen zwei Jahre, wegen der Pflegereform bis Ende 2018, einzulösen.) In Baden-Württemberg müssen die Betreungs- und Entlastungsleistungen über professionelle Pflegeanbieter laufen, eine gelernte Hauswirtschaftlerin darf diesen Service nicht anbieten. Aber immerhin können sich unter Erfüllung bestimmter Bedingungen auch allgemeinnützige Vereine registrieren lassen (uns hilft z.B. Solidaria e.V.). Ich bin sehr froh, dass wir so zumindest einmal die Woche etwas Hilfe im Haushalt haben, der mit einem Krabbel- und einem Spuckkind allein vom Boden reinigen und Wäsche mäßig nicht gerade wenig Arbeit macht. Nur – und jetzt kommt die nächste Krux, wenn es um „Babysitterdienste“ geht: Diese Unterstützungspersonen, die nun, wenn in den Ferien mal wieder keine Pflege bei uns ist, dürfen keine Grundpflege (Essen,Trinken) oder Behandlungspflege (Medikamente geben) übernehmen. Das heißt, wenn wir einmal einen freien Abend wünschen, darf die noch so gut geschulte Betreuungsperson unseren Sohn zwar betreuen aber eigentlich nicht wickeln, Brei geben oder gar eines seinen Blutdruck- oder Epimedikamente verabreichen. Also muss also wieder einer von uns Eltern zu Hause belieben. So pflegt man die Partnerschaft als pflegends Elternpaar?  Trotz unzähliger Rechte und Möglichkeiten zur Unterstützung, ist man als Familie weitgehend auf sich gestellt. (dabei haben wir die ‚dicken Fische‘ wie persönliches Budget, inklusive Beschulung und co- noch gar nicht angegangen…)

Das Erstreiten ist so kräfte zehrend und entwürdigend, dass viele Eltern alles auf eigene Faust machen. So lange sie eben dazu in der Lage sind. Ohne Großeltern (sowie Paten, die regelmäßig Verhinderungspflege übernehmen) ginge bei den meisten Familien, auch uns, fast gar nichts. Wir sind ihnen dankbar, und wäre doch viel lieber unabhängig und würden ihnen den Ruhestand gönnen. So werden unsere Eltern und engen Freunde in dieses Spinnennetz aus Verpflichtung mit eingeflochten, die Anstrengung verteilt sich auf viele Schultern ja – aber auch die Gebundenheit. Man muss nicht systemischer Berater sein, um zu erkennen, das diese Konstellation auch Spannungen und Konflikte erzeugt.  Dass Ehen pflegender Eltern häufig zerbrechen, wundert in diesem Kontext nicht. Unseren 16 Jahrestag haben wir gestern mit jeweils einem Kind auf dem Arm verbracht. Natürlich ist das mal schön zusammen baden, spazieren gehen – aber so ein bisschen Zweisamkeit wäre auch mal was und täte uns gut.

ÜBRIGENS: Im ‚Ländle‘ soll es nach der Änderung des Landespflegegesetz vor wenigen Tagen nun künftig Pflegekonferenzen geben, auf denen Zielvereinbarungen getroffen werden, zur Stärkung und unter Einbeziehung pflegender Angehöriger. Ich bin mal gespannt, habe vor mitzumischen und euch auf dem Laufenden zu halten!

PROGRAMM TIPP: Um über diese Missstände – den Pflegenotstand und die alltägliche Belastung als pflegende Eltern – zu berichten, wurden wir bei „Zur Sache Baden-Württemberg“ eingeladen Einblick in unseren Pflegealltag zu geben. Der kurze Beitrag wird am kommenden Donnerstag 15.02.2018 im SWR um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Danach wird er auch in der Mediathek verfügbar sein.

Silben fischen – Talk to me Baby! Unsere bisherige Logo-Reise gegen die Sprachlosigkeit.

Kennt ihr das Lied von Lille Olle Bolle von Hans Spielmann? Die ganze Trollfamilie redet auf den Junior ein mit „oh, ah, häh“ – Doch es ist vergeblich, denn jeder Silbe folgt: „Aber Lille Olle Bole sagte gar kein Wort“. So geht es Strophe für Strophe , die Spannung wird aufgebaut aber nicht aufgelöst; bis zum Schluss des dänischen Kinderfolksongs bleibt es dabei: Der kleine Lille schweigt, schweigt und schweigt.

Mir kommt das sehr bekannt vor. Auch der kleiner König könnte ein guter Mönch werden. Kein „Mama“, „Aua“ oder „Wauwau“ kam je über seine Lippen. Wenn ihm etwas gefällt, strahlt er uns an oder gibt Arr-Laute von sich. Passt dem jungen Herrn etwas nicht, macht er „eehhh“,  streckt sich durch, verdreht die Augen oder erbricht sich gelegentlich. Das hilft uns zwar in manchen Situation zu verstehen was er NICHT möchte, aber es gäbe natürlich bessere Möglichkeiten, das deutlich zu machen.

Logopädische Förderung bekommt der kleine König eigentlich von Geburt an. Bereits in der Kinderklinik, in der  wir die drei Monate verbrachten, schaute außer den Ärzten und Physios auch eine Logopädin vorbei.

In seinen ersten eineinhalb Lebensjahren entwickelt sich der Räubersohn, wohl – neben der Infantile Cerebralparese (ICP) – wegen der allgemein schwierigen gesundheitlichen Lage und den schlecht arbeitenden Nieren mit Heimdialyse und häufigem Erbrechen, körperlich kaum.  (Er hatte auch fast ein ganzes Jahr die Kleidergröße 62-68. ) Zu dieser Zeit hatte unser Liebling eine Nasogastralsonde über die er mit angereicherter Milch ernährt wurde. Dieses kleine Plastikschläuchchen sicherte zwar seine Versorgung, aber es war auch beim Schlucken und Saugen hinderlich. Das Essen und Trinken ist sowieso durch seine Schluck-und Essstörung, beeinträchtigt. Diese verursacht weitere Probleme wie häufiges Verschlucken und eben auch das Übergeben, wir haben damals immer eine ganze Tasche Wechselkleider dabei gehabt, wenn wir außer Haus gingen – für ihn und uns.  (Heute reicht für ihn und das prophylaktische „Spucktuch“, die obligatorische Mullwindel.) Deshalb stand für uns im ersten Logojahr zunächst erst einmal ganz klar die Verbesserung der Ernährungssituation im Vordergrund.

In Rückblick auf die letzten drei Jahre ist unsere bisherige Logopädiegeschichte wirklich ziemlich irre. Die Physiotherapeutin, die uns zunächst zu Hause betreute und eigentlich auch Logopädin war, sollte laut Rezept mit ihm auch beides – Physio und Logo –  durchführen. Doch die werte Dame, ihrerseits überzeugte Vojtaianerin turnte mit ihm, der mit circa vier Monaten sowie so schon dauerüberstreckt und am Brüllen war, ausschließlich die heftigen, zu heftigen Übungen für ein Intensivkind. Und das obwohl wir eigentlich Bobath verordnet hatten. Nach einem Rezept bat ich sie nicht wieder zu kommen.

Die zweite Logopädin ist auf Castillo Morales spezialisiert und hat viel Erfahrung.  Leider liegt ihre Praxis nicht gerade um die Ecke und die Fahrten mit dem damals noch Dauer brüllenden Baby sind eine nervliche Zerreissprobe für alle Beteiligten. Irgendwann kommt sie schließlich zu uns heim.  Sie schafft es ihn gut voran zu bringen mit der Mundmotorik. Als sie das erste mal über UK (Unterstütze Kommunikation) spricht bin ich entsetzt. Er wird doch sprechen lernen! So schlimm behindert kommt mir mein kleiner Sohn bis dato nicht vor.

Schon komisch. Damals war es für mich eine Horrorvorstellung – heute mein Licht am Horizont!  Wir üben auch Essen mit ihm, immer wieder mit Hilfe von Kausäckchen aus Mull. Die Sondenentwöhnung kann sie nicht leisten, sagt sie. Und auf einen Termin in der spezialisierten Kinderklinik warten wir fast ein Jahr.  Schließlich trauen wir uns zusammen mit den Pflegerinnen in Winterferien 2016 die Sonde weg zu lassen, als er immer mehr Milch aus der Spritze (wie mit einer Pipette) über den Mund nimmt und etwas Brei isst. Leider sagt uns diese Logo erst hinterher, dass die Entwöhnung wohl schon früher möglich gewesen wäre, sie uns aus versicherungsrechtlichen Gründen dazu aber nichts gesagt hat. Wie schade und ärgerlich. Denn er hatte die olle Sonde schon länger satt, er zog sie sich immer wieder trotz Pflaster und sonst kaum vorhandener Feinmotorik.

Der Aufenthalt in der Kinderklinik drei Monate später war insgesamt ziemlich frustrierend und brachte uns eher Rück- als Fortschritt was das Essen angeht – von Sprachförderung auch hier kaum die Rede. (Sie wollten dem nierenkranken Zwerg tatsächlich Standard Kantinenessen und super salziges püriertes Leberwurstbrot geben.) Mit Schuld war wohl die Ferienzeit, der wir vier verschiedene Logos dort zu verdanken hatten, in dem Monat Aufenthalt. Fast alle waren ängstlich wegen der Epilepsie und dem Erbrechen. (Eine gute Idee war ein Kautschuk Kauschlauch, der uns bei seinem Zahnen gute Dienste erwies.) Als er einen Infekt hatte, zwangen die Ärztinnen uns schneller als uns lieb war die Sonde wieder einzuführen. Es war niederschmetternd.

Das viele Spucken wurde erst durch das Andicken (wir verwenden dazu das geschmacksneutrale TickenUp clear aus modifizierter Maisstärke) und wieder ohne Sonde besser. Heute wissen wir, durch eigne Recherche, dass bei ihm durch die hypoxische Schädigung eine Form der Dysphagie vorliegt, ähnlich den Menschen, die einen Schlaganfall hatten.

Natürlich singe ich als Chorfan seit er ein Baby ist viele Kinderlieder vor. Und wir alle auch die Großeltern lesen ihm immer wieder Bilderbücher vor -(möglichst kontrastreiche – wie „Kleiner weißer Fisch“) und machen Fingerspiele und Kniereiter mit dem kleinen König. Wir sind ja eine Pädagogenfamilie und haben Spaß an solchen Kindereien! Doch bis auf wenige Silben wollte sich bisher einfach keine Sprache einstellen.

Das „Wir sind Helden“ Lied geht mir dazu nicht mehr aus dem Kopf :

„Ich sehe, dass du denkst
Ich denke dass du fühlst
Ich fühle dass du willst
Aber ich hör dich nicht ich
Hab mir ein Wörterbuch geliehen
Dir A bis Z ins Ohr geschrieen
Ich stapel tausend wirre Worte auf
Die dich am Ärmel ziehen
Und wo du hingehen willst
Ich häng an deinen Beinen
Wenn du schon auf den Mund fallen musst
Warum dann nicht auf meinen
Oh bitte gib mir nur ein Wort.“

Wir versuchen geduldig zu sein, „Er braucht nur mehr Zeit“ wiederholen die Verwandten Mantra ähnlich. Was soll es, dann halt weiter Tee trinken und abwarten. Schließlich ist das Sprechen nur eine von vielen Baustellen. Krabbeln oder überhaupt Sitzen oder gezieltes Greifen ist ja auch wichtig. Dass fast nichts davon kam drei Jahre lang, so schwarz hätte ich auch in Depriphasen nie gedacht. Doch man gewöhnt sich irgendwie daran, alles verliert mit der Zeit seinen Schrecken.

Und doch bleibt etwas Hoffnung. So begannen wir vor über einem Jahr mit UK. Ganz langsam mit ein bis zwei Taster drücken mit Symbolen für STOPP und NOCHMAL. Und dann übte er den Powerlink über einen großen Funkkopf zu bedienen, um verschiedene adaptierte Spielzeuge und Geräte ein und aus zu schalten, was ihm je nach Tagesform gelingt. Doch die Versteifungen in den Armen sind hinderlich. Wie soll der Räubersohn in seiner „Häschenposition“ einen Hebel bedienen? Wie soll sp je Kommunikation angebahnt werden?

Ich meldete uns für die regionale Medienberatungsstelle an im Frühjahr 2017. Wir bekamen auch einen Termin: Mitte Dezember! So lange Däumchen drehen?

Und das, wo er immer mehr nachts weinte und heftig schrie? Das es von den zunehmenden Spastiken kommt, fanden wir  – Monate später – heraus. Könnte er uns doch nur sagen waß los ist! Müde, Kuscheln, Bauchweh? Es ist quälend das eigene Kleinkind so brüllen zu sehen und es macht einen als Eltern echt fix und fertig.

So ein non verbales Kind zu haben ist in vielen Bereichen eine enorme Belastung. Allein die Fragebögen der U- Untersuchungen, das Rätsel raten was er essen möchte…und und und.

Dazu kamen Probleme mit der Kostenerstattung. Wir kämpften die ausgezeichnete Sprachförderung HET (Heidelbergerelterntraining) bis zum Amtsarztentscheid durch. Um dann doch festzustellen, dass es zu stark visuell ausgerichtet ist (auf Bilderbücher und Gebärden) für ein sehbehindertes Kind. Obwohl er an den Tiergeräuschen viel Spaß hatte, sah es auch diese engagierte Logopädin als nicht sinnvoll an es fortzuführen.

Inzwischen waren wir kurz vor Weihnachten noch im Medienberatungszentrum (MBZ). Und wir sollen  – suprise suprise – wieder Taster mit Monsieur drücken üben. Aber mit direktem positiven Feedback,  also Dingen, wie klingeln oder knistern, die er mag. Dazu sollen wir wohl bald (hoffentlich) Sensortaster ausgeliehen bekommen, die seine Bewegungen erfassen.

Auch ein I-Pad wurde angesprochen, denn der kleine König konnte beim Test vor Ort tatsächlich, trotz Seheinschränkung, den Bildschirm mit den Augen ansteuern. Inwieweit das willentlich ist, werden wir dann heraus finden. Es bleibt etwas Hoffnung und die können wir brauchen, denn bis dieses Gerät mit Eyetracking Software verfügbar ist, wird es wohl Ostern.

Ich versuche mich mit schlauen Sprüchen zu trösten von Grashalmen, die durch Ziehen nicht schneller wachsen. Aber Gießen sollte man sie schon – und den Mutterboden auch. Damit keiner vertrocknet, wie der Skelettierte aus der neunziger Jahre Eastpack Werbung, so will ich nicht enden!

Hier noch ein nützlicher Link, wenn ihr eine UK Beratungsstelle in eurer Nähe sucht: http://www.gesellschaft-uk.de/index.php/service/beratungsstellen-fuer-unterstuetzte-kommunikation

Auf dem Heimatplaneten. Ein Tag zusammen auf der Rehab-Messe.

Heute hat es wirklich geklappt und wir drei – fast vier – sind zusammen auf die Rehab-Messe (11.-13.05.2017 Messe Karlsruhe) gefahren. Der Mampa hatte glücklicherweise frei und der Räubersohn war vom KiGa beurlaubt. Deshalb durfte er etwas länger schlafen und hatte gute Stimmung. Auch die Autofahrt war nicht so wild, denn seit er seinen neuen Reha-Autositz hat, mit dem er aus dem Busfenster schauen kann und der lustig vibriert beim Fahren findet es der kleine König  meistens gar nicht mehr so schlimm on Tour zu sein. Und bei jedem Rehab-Hinweisschild hörte ich Amy Winehouse „no no no“ singen. Von unseren Pflegerinnen haben netter Weise Freikarten für die Messe in Karlsruhe bekommen. Dort an gekommen saß unser Junior heraus geputzt mit Bulli-Schlupfhose und fröhlichem Grinsen in seinem Rehabuggy. Mit meinem Kugel-Vorbau war ich schon nach dem Weg vom Parkplatz zum Messeeingang etwas ko.

Mit den ersten Schritten​ auf dem Messegelände betraten wir eine andere Welt: Überall waren Busse und Caddys schon auf dem Parkplatz und auf dem Fußweg dorthin und drinnen erst recht – überall behinderte Menschen, die in Rollis saßen, lagen auf E-Fahrzeugen umher cruisten, sich grüßten. Kleine Kinder, kleinwüchsige Menschen, Senioren, junge Gepircte, Sportler mit Prothesen. Wow wie bunt, was für eine Vielfalt. Cyborgmäßig anmutende Laufhilfen, Hightech Geräte, die man über die Augen steuern kann, Offroad Segways – irre! Alles verteilt auf zwei Hallen und Gänge. Bei allem Neuen und Ungewöhnlichem, das auf uns einströmte, merkte ich es gleich: Ich bin zu Hause gelandet – auf dem Heimatplaneten. Hier waren wir normal, eine Familie unter anderen. Andere junge Eltern grüßten uns, wir sahen ein paar bekannte Gesichter. Wie die nette Chefin und Crew der Familienherberge Lebensweg – eine fabelhafte Initiative​, die Familien mit schwer kranken und behinderten Kindern ab 2018 eine Auszeit in einen wunderschönen Haus auf dem Land ermöglichen wird.

Irgendwie war ich auch gerührt. Es ist soviel möglich heut hier in Deutschland. Für fast jede Behinderung gibt es Hilfsmittel, die einem das Leben oder den Angehörigen die Pflege erleichtern können. Klar, man muss sie oft sehr hart erkämpfen (bei uns gerade Geräte  zur UK) und manches kann man sich als Otto-Normal-BürgerIn leider nicht leisten. Aber wie wäre es, wenn wir irgendwo in einem Entwicklungsland leben würden, einer Krisenregion oder einem Staat ohne Gesundheitssystem wie bei uns. (Unvorstellbar wie sich Eltern eines chronisch kranken, behinderten Kindes in den USA zur Zeit fühlen müssen…) Auch zur Zeit als meine Eltern noch klein waren, hätte es kaum Hilfen für ein schwer behindertes Kind wie unser Goldstück gegeben. Wenn ich an die Blechtrommel denke oder Forrest Gump sehe, kommen mir fast die Tränen. Natürlich dort auf der Messe sind wir die Hauptzielgruppe uns der Kunde ist selbstverständlich König. Es gibt gratis Geschenke, verlockende Angebote und spannende Vorträge. Sogar ein extra Zelt mit barrierefreien, behindertengerechten Toiletten, links und rechts von der Eintrittsrampe stehen hübsche Buchsbaumkugeln.

Schade, dass das eine Parallelwelt ist, die „Eingeweihte“, d.h. Betroffene und beruflich Interessierte nur einmal im Jahr betreten. Wie gerne würde ich mit den Schülern hier her kommen, die sich gegenseitig immer als „behindert“ und „Spasti“ beschimpfen. Sie denken nicht nach und kennen meist keine behinderten Erwachsene oder Jugendliche. Daher wissen die Großmäuler nicht wie kompliziert und beschwerlich so ein Alltag mit Schwerbehinderung sich gestaltet.  Hier wären sie als Gesunde einmal in der Minderheit und würden merken, wie komisch es sich anfühlt immer der oder die „Andere“ zu sein. Ein paar mehr Menschen ohne Handicap auf der Messe wären wirklich noch gut als Ergänzung. Dann hätten wir eine inklusive Gesellschaft im Kleinformat. Niemand, der in Heimen, extra Schulen, Werkstätten sperapiert untergebracht und in ABM-Maßnahmen aufgefangen werden würde. Menschen mit Behinderung sind keine Randgruppe. Sie bilden einen so großen Teil der Bevölkerung, nur nimmt man sie nach wie vor im Alltag kaum wahr. („Dank“ Pränataldiagnostik werden ja auch die Mehrheit potentiell behinderter Kinder inzwischen abgetrieben). Wie wenig das allgemeine Bewusstsein dafür sensibel ist, merkt man daran, dass Inklusion von vielen noch als schulpolitisches Thema angesehen wird. Als würde mit dem Schulabschluss oder der Volljährigkeit sich die Behinderung in Luft auflösen – und als gäbe es nicht auch andere Bevölkerungsgruppen, die ex- statt inkludiert leben, alte Menschen, psychisch Kranke, MigrantInnen…

Es gibt noch so viel zu tun. Für heute ist genug, ich streichle meine Mini Miss inside und freu mich, dass wir einige gute neue Anregungen für unseren Sohnemann mit nach Hause nehmen konnten.

Mad, mad World. Wenn das Absurde zur Normalität​ wird.

Welcome to the Dschungel! Gäbe es eine Stellenausschreibung für den Fulltimejob einer pflegenden Mutter oder eines Vaters von einem behinderten Kind, müssten sie eine Menge abdecken! Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt hat im Idealfall sehr gute Kenntnisse in der Rhetorik, ein juristisches Grundlagenstudium, eine fundierte Ausbildung in Verwaltung, medizinisches Basiswissen sowie eine ordentliche Portion Schneid und Selbstvertrauen. (Sarkasmus und Widerspenstigkeit entwickelt man mit der Zeit von ganz alleine – kein Sorge.) Ich bin auch in meinem dritten Jahr als pflegendes Elternteil immer wieder überrascht wie schwer die Versicherungen und Behörden (sowie einige empathielose Mitmenschen) uns das – ohne hin nicht einfache – Leben machen und dabei auch ihren Mitarbeitern ordentlich vermeidbaren Überprüfungs- und Verwaltungswahnsinn aufbürden.

Es ist so Vieles undurchsichtig, unlogisch und nicht vorhersehbar. Bore-out somit quasi nie zu erwarten, immer gibt es neue Hürden zu  überwinden. Bei uns „aktuell“, also seit der Vorweihnachtszeit zwei neue Hilfsmittel, maßgefertige, etwas skuril anmutende Lagerungssysteme (wie bei dem Elch auf dem Foto) – für tags und nachts zur Abduktion, die jetzt nach Ostern immer noch nicht fertig gestellt sind. Nicht selten enden diese Hilfsmittelanträge in einer schier endlosen Odyssee – und das meine ich nicht im übertragenen Sinne:  Schreckliche Zyklopen, irreführende Sirenen, tosende Stürme, das volle Programm haben wir immer wieder vor dem Bug auf unserer Irrfahrt.

Zum eben erwähnten Beispiel der Hilfsmittelversorgung – da bei unserem Räubersohn, nachdem es die ersten beiden Jahre immer „Spitzfüße, Spastiken und Beininnenrotationen ja – aber hey mit der Hüfte ist alles im Lot“ hieß (auch mit Ultraschall etc. überprüft), kam dann im Dezember die Hiobsbotschaft: Hüftluxation, Gelenkkopf nicht ausgebildet, Ausrenkung äußerst wahrscheinlich – eine OP zwingend nötig! Dafür waren wir allein von Dezember bis April sieben mal in verschiedenen Kliniken und bei Fachärzten von Heilbronn, Maulbronn, Stuttgart, bis Heidelberg. (dazwischen regulär zur Nierenkontrolle in Tübingen). Mit dem Ergebnis, dass gleich das erste vorordnete Hilfsmittel, eine Laufschiene eben überhaupt nicht passte, als sie endlich zwei Monate später nach Feststellung des „Schadens“ endlich anprobiert werden konnte. Nein, was für eine Überraschung! Ein Teil von der Stange sitzt nicht bei unserem kleinwüchsigen Sohn! Nicht, dass ich den sogenannten orthopädischen Experten in der schwäbischen Kinderklinik deutlich auf den Minderwuchs unseres Sohnes hingewiesen hätte, mehrfach…Zum Kühe melken. Inzwischen wissen wir, dass wir um die Hüft-Op nicht herum kommen, zumindest langfristig. Aber mit mehr Spreizung und Korrektur der Fehlstellung können wir es hoffentlich etwas hinauszögern. Die weiteren Episoden (Abduktionsempfehlungen, die bei einem Erwachsenen vergleichbar mit einem Spagat wären bis hin zu klumpigen, riesen Schaumstoffblöcken, die unserem Junior ungeahnte  Kräfte entlocken, um diese wegzutreten…) wären auch alle schilderungswert, aber das würde zu einem Buch werden.

Neben dem Klinikmarathon und den Gesprächen mit den verwirrten Versicherungsmitarbeitern (Wie das Hilfsmittel passt nicht? Haben sie das schriftlich für uns in einem aktuellen Arztbericht…) fühlten wir uns dieses Frühjahr auch außerhalb des Pflegealltags immer wieder wie im Comic „Gregs Tagebuch“. Da war ja noch die Schwangerschaft, die Wohnung und die Baustelle, die alle irgendwie nebenher laufen müssen.  Das „verwunderte“ einige der mehr oder weniger neuen Bekannten, mit denen wir nun v.a. baubedingt zu tun haben. Während sie Baurechts- und Designfragen zu ihrem alles dominierenden Hobby machen, haben wir „seltsamerweise“ irgendwie keinen Nerv mehr nach dem dritten oder vierten nicht zielführenden Gespräch und vollen Anrufbeantworter. Zu dem kamen aus alle Ecken Menschen mit Klingelbeuteln, die freundlich den Hut ziehend, selbstverständlich um milde Gaben baten, von völlig irrationalen Nachzahlungsforderungen bis zu unnötigen Beratungs- und Verwaltungskosten.

Der letzte Clou in dieser Serie des Wahnsinns, ist neben der Beihilfe, die tatsächlich für ein logopädisches Training (das sogar von der gesetzlichen KK anerkannt ist, für unseren Zweieinhalbjährigen, der bis heute nicht spricht) und ein Darmsanierungsmedikament zwei Amtsarztbesuche angefordert hat, unsere alte „Freundin“ die Pflegekasse:

Eigentlich sollten wir – wie uns in mehreren Telefonaten zugesichert wurde –  einen kleine finanzielle Unterstützung für die verschiedenen barrierefreien Baumaßnahmen bekommen: Dazu gehören die Abgrabungen, überbreite Türen und Fenster, eine bodenebene Dusche, rutschfeste Fließen im Sanitärbereich, schwellenlose Zugänge und den Plattformlift, um nur ein paar zu nennen. Dazu hieß es, müssen wir eine Liste erstellen, alles dokumentieren mit Belegen etc. und einreichen. Jetzt, neuester Stand – nachdem fast alles fertig gestellt oder zumindest bestellt ist – wurde uns mitgeteilt, dass nicht Maßnahmen bezogen, sondern Zeitpunkt bezogen gefördert werde. Das heißt im Klartext, da wir blöderweise unser Haus auf einmal bauen und nicht über 15 Jahre hinweg, können wir nur einmalig Unterstützung beantragen. Die maximale Fördersumme von 4.000€ wird dabei für alles zusammen vergeben! Richtig gehört: Für all das, was wir benötigen, damit unser chronisch kranker, schwerbehinderter Sohn halbwegs vernünftig leben und gepflegt werden kann. Alles was noch nicht montiert und jetzt akut notwendig ist, versuchen wir nun auf später zu verschieben, wenn „sich der Pflegebedarf verändert“ . Völlig bekloppt – aber sie wollen es ja so. Dann soll doch jedes Jahr ein Gutachter antanzen – mir egal ich habe eh fast kein Privatleben mehr.

Zudem haben wir auf Anraten unseres Pflegediensts wegen der neuen gesetzlichen Reglungen seit 2017 die Höherstufung im Pflegegrad beantragt, was sogar als Eilverfahren angesetzt wurde. Wegen angeblich 3,5 Punkten zu wenig wurde dies nun (vorerst) abgelehnt. Wobei es auf die 90 P. gar nicht ankommt, da wir durch die bilaterale ICP „den vollständigen Gebrauchsverlust der Greif, Steh und Gehfunktion“ nämlich eine „besondere Bedarfskonstellation“ vorliegen haben, die seit 2017 direkt zu PG5 führt!! (siehe Links unten). Leider hatte der uns begutachtende Arzt entweder Tomaten auf den Augen und Ohren oder eine sehr begrenzte Auffassungsgabe. Er hat Einiges, wie die Schluckstörung, die nächtlichen Schreiattacken, das regelmäßige Erbrechen und die diversen Hilfsmittel, die wir tagtäglich verwenden usw., einfach nicht mitbekommen. Zu dem verfügt der Mediziner über eine blühende Phantasie, so soll unser kleiner Mann im Bett liegend seine Position verändern können („weitgehend unselbstständig“) und – haltet euch fest – sogar etwas sitzen! Das sind doch mal tolle Nachrichten, ein Wunder!! Und wir Eltern und die Pflegerinnen haben es gar nicht mitbekommen, Mensch! Toll, dass wir das jetzt erfahren. Wahrscheinlich ist es bei unserem Räubersohn, wie bei Lotta Wundertüte: Im Geheimen sitzt und krabbelt das ICP-Kind. Das hat er dem Gutachter dann telepathisch mitgeteilt, der kleine Zauberer. (Sarkasmus off)

Oh Mann, ihr merkt es ich bin dem Wahnsinn nahe. Immerhin boxt mich die kleine Maus regelmäßig in die Realität zurück. Sie verhindert es auch, dass ich mich gesundheitsschädlich verhalte in solchen Irrsinnszeiten. (Danke Süße, bekommst nächtlichen Stracciatella Joghurt dafür.)

Langsam wird draußen schwarz zu blau, inzwischen ist es fast ganz hell draußen. Mir geht’s besser. Jetzt könnte ich mich theoretisch noch mal hinlegen zu meiner kleinen Heulboje und dem geschafften Papabär. Oder sich schreibe an dem Widerspruch bezüglich des Pflegegrads weiter. – Ihr habt das Monster geschaffen, so deal with it!

=>>>>Noch ein paar Links für euch, wenn ihr auch über eine Höherstufung in PG5 nachdenkt:

Liegt bei eurem chronisch kranken oder behinderten Kind vielleicht auch ein erhöhter Pflegebedarf bzw. „besondere Bedarfskonstellation“ vor? Auch Kinder unter drei Jahren können den Pflegegrad 5 bekommen.  – Infos zum Antrag und Widerspruch:

http://www.pflegeversicherung-2017.de/index_BesondereBedarfskonstellationenKindern.htm

https://www.pflegegrad.info/pflege/besondere-bedarfskonstellationen.php

-https://www.pflege.de/pflegekasse-pflegerecht/pflegegrade/widerspruch/#widerspruch_pflegegrad_5